ÖDP Bayern, Politischer Aschermittwoch 2012
Rede von Bernhard Suttner, ehemaliger Vorsitzender der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) in BayernMein Versuch, sich nicht um harte Wahrheiten herumzudrücken
--Schulden und kein Ende? Vom Umgang mit den Theorien von John Maynard Keynes
--Die Schuldenbremse
--Die Schuldenmacher in Deutschland
--Eine falsche Religion: Ewiges Wachstum zu mehr mehr mehr
--Wer soll das bezahlen....?
--Wie will Bayerns CSU die Schulden los werden?
--Wieviel Staat brauchen wir und wo kann sinnvoll gespart werden?
--Privatisieren um jeden Preis? – Die Janusköpfigkeit der Freien Wähler
--Über das Leben nach der käuflichen Politik
--Die Grenzen des Wachstums
--Die Verkehrsprognose für Bayern
--Woran deutsche Autoingenieure Arbeiten
--Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß
--ÖDP ist kein Erfüllungsgehilfe für Prognosen
--Echter Wohlstand statt Zeitnot--Lösungskonzepte versus Wachstumsziele
--Ein Recht auf die Wachstums- Rauschdroge?
--Gerechtigkeit für die Familien
--Facebook, Google und die große Freiheit
Schulden und kein Ende? Vom Umgang mit den Theorien von John Maynard Keynes
Unser mehr und mehr von Berufspolitikern beherrschtes politisches System leidet darunter, dass ein auf das Mandat angewiesener Volksvertreter eben diesem Volk keine unangenehmen Fakten zumuten kann und schon gar keine „Opfer“ abverlangen darf. Wer wiedergewählt werden will, darf keine unangenehmen Forderungen erheben und er darf keine unangenehmen Fakten dulden. Eine konjunkturelle Abwärtsbewegung ist so ein unangenehmes Faktum.
Deshalb haben schon vor langer Zeit kluge Köpfe wie John Maynard Keynes die wirtschaftspolitische Theorie vom antizyklisch agierenden Staat entworfen. Wenn die Wirtschaft lahmt, möge der Staat traben und nötigenfalls sogar galoppieren – sprich: öffentliche Aufträge und Nachfrage generieren. Dazu dürfe und müsse er sich gerne auch verschulden. Diesen Teil des Keynesianismus praktizieren heute weltweit alle Regierungen, auch jene, die Keynes vehement ablehnen und als Irrlehrer brandmarken. (Das tun z.B. die amerikanischen Republikaner und die „tea-party“-Fanatiker, während sie gleichzeitig eine immense Aufrüstung ihres ohnehin völlig überrüsteten Landes fordern. Rüstung stellt immer eine staatliche Bestell-Orgie dar, ist also eines der beliebtesten Konjunkturprogramme).
Keynes ist voll akzeptiert.
In modernen Staaten wird immer viel Geld ausgegeben, um die sinusförmigen Konjunkturzyklen in lineare Aufstiegslinie zu verwandeln. Das gelingt zwar nirgendwo, aber es wird überall mit Milliarden und Abermilliarden versucht.
Keynes ist übrigens nicht schuld. Er ging wie selbstverständlich davon aus, dass bei anspringender Konjunktur der Staat seine Aktivitäten zurückfährt, aufgenommene Kredite tilgt und für die unweigerlich später wieder kommenden schlechteren Zeiten Rücklagen bildet…
An genau diesem Punkt steigt der moderne Berufspolitiker jeglicher Couleur aus dem Keynesianismus aus, weil dieser Teil eine Zumutung darstellt: Das „zarte Pflänzchen Konjunktur“ dürfe auf keinen Fall gefährdet werden, man könne „doch jetzt im beginnenden Aufschwung“ nicht Steuern erhöhen oder vorher zwecks Ankurbelung der Wirtschaft gewährte Steuervergünstigungen zurücknehmen, das sei alles „Gift für die Konjunktur“.
Die Wurzel der Staatsverschuldung und des drohenden Zusammenbruchs der heutigen Finanzordnung liegt also meines Erachtens in einem aus Feigheit vor dem Bürger nur halb praktizierten Keynesianismus! Man hat mit Hingabe die Bekämpfung der Konjunkturtäler praktiziert aber sich stets vor dem Abbau der vorher aufgenommenen Schulden gedrückt.
Beweis: Wir haben - wie der lustige Herr Brüderle zu sagen pflegt - ein paar „XXXL- Boom- Jahre“ erlebt. In diesen außergewöhnlich grandiosen Erfolgsjahren ist es uns gelungen, die Neuverschuldung des Bundes von ursprünglich geplanten 80 zusätzlichen Milliarden auf nur noch rund 40 Milliarden zu drücken. Für das laufende Jahr ist gar eine Senkung der Nettokreditaufnahme von unter 20 Milliarden Euro geplant – weil die Staatseinnahmen so grandios sprudlen!
Das ist große Spar- und Vernunftpolitik, für die wir Bürger dankbar sein müssen: In seltenen Superjahren wie diesen, gelingt es uns, lediglich 20 000 Millionen Euro zusätzliche Schulden aufzunehmen, um den Bundeshaushalt auszugleichen! Keynes ging davon aus, dass in guten Jahren nicht nur keine Neuverschuldung erfolgt, sondern dass alte Schulden getilgt werden und womöglich Rücklagen angesammelt werden. Ganz schön naiv dieser alte Mr. Keynes! Na ja, er ist ja auch schon lange tot.
In diesem Zusammenhang ein Wort zur viel zitierten und noch mehr bejubelten „Schuldenbremse“, die wir jetzt im Grundgesetz haben und die ab 2016 gelten wird. Wer jetzt meint, das würde bedeuten, dass keine Schulden mehr gemacht werden dürfen, bzw. dass vielleicht sogar die alten Schulden verringert werden müssen, der irrt. Eine solche echte Schuldenbremse hat nur die Schweiz. Die Schuldenbremse (GG Artikel 109 und 115) verbietet den Ländern ab demnächst jegliche Neuverschuldung; für den Bund gilt eine Begrenzung der Neuverschuldung und zwar auf den Satz von 0.35% vom BIP. 0,35% - das ist eine Zahl, die sehr nach 0 ausschaut. Bei einem BIP von 2500 Milliarden sind 0,35% immerhin noch fast 9 Milliarden Euro… die Schuldenbremse bedeutet also, dass die Neuverschuldung des Bundes jährlich 9000 Millionen betragen darf. So habe ich mir eine Bremse immer vorgestellt: Wenn es auf die Wand zugeht einfach ein bisschen weniger Gas geben!
Die Schuldenmacher in Deutschland
Man muss die Dinge manchmal personalisieren: Von Helmut Schmidt über Helmut Kohl bis zu Gerhard Schröder und Angela Merkel, aber auch von Strauß über Stoiber bis zu Beckstein und Seehofer einschließlich der zugehörigen Oppositionsführerinnen und –führer eint eine Verantwortung alle: Sie haben es sich durch die geschilderte Schuldenpolitik leicht gemacht! Sie haben ihre Wählerinnen und Wähler in Schuldenwatte gepackt! Sie haben so getan, als sei das alles kein Problem. Sie haben strenge Stabilitätskriterien für den Euro in Verträge geschrieben und anschließend alle Augen zugedrückt, ja sogar selbst diese Kriterien missachtet. Ja, es waren konkrete Menschen mit berühmten Namen, es waren die immer wieder gewählten Politikerinnen und Politiker, die diese Schuldenpolitik organisiert haben, die uns jetzt den Hals zuschnürt und kommenden Generationen erdrückende Lasten aufbürdet. Sie haben sich gegenseitig Verdienstorden umgehängt und ihre Memoiren geschrieben. Sie haben vom Wachstum geschwärmt und den Leuten die Droge des „immer mehr“ als quasi-religiösen Lebenssinn vertickert.
Es reicht.
Eine falsche Religion:
Ewiges Wachstum zu mehr mehr mehr
Eigentlich müssten sie alle zusammen mit den Bank-Potentaten abtreten oder doch wenigstens in einem großen Bußakt innehalten und sich neu ausrichten. Die eigentliche, tiefste Ursache für die Schuldenkrise ist die falsche Religion vom materialistischen „immer mehr“. Es ist in dieser Religion bei Strafe der Exkommunkation verboten, Zuwächse in Frage zu stellen und von „Gleichgewicht“ und „nötiger Reduzierung“ zu sprechen. Warum sollte man auf Zuwächse und „neue Projekte“ verzichten, so lange jemand Kredit gibt?
Man baut eine neue Bundesstraße 15, obwohl sie Natur zerstört und nicht so richtig gebraucht wird. Die CSU will nach wie vor die letzten Teile der freien Donau zum Schaden der Natur und zum Nutzen der Rhein- Main- Donau AG (RMD-AG) in einen gestauten Kanal umbauen. CSU, FDP und SPD wollen eine dritte Startbahn ins Erdinger Moos bauen. Die Natur-Killer-Autobahn durch das Isental wird unglücklicherweise nicht mehr aufzuhalten sein. Auch der absurde Untergrundbahnhof in Stuttgart hat nun seine direktdemokratischen Weihen erhalten – ein weiterer klarer Beweis dafür, dass auch der Volksentscheid nicht zwangsläufig die ökologische und fiskalische Vernunft garantiert. Eine zweite Röhre durch München und ein ICE-Tunnel-System von Nürnberg nach Berlin stehen auch auf der Wunschliste! Warum das alles? Weil sich so das Geld bewegt. Haben wir das Geld? Nicht direkt – aber es gibt Kredit. Das alles funktioniert auch im Kleinen – bei den Städten, Gemeinden und Landkreisen. Wer dagegen stimmt, wer die Schulden reduzieren möchte, muss sich allerhand gefallen lassen. Bremser, Bedenkenträger, Neinsager. So lange sich an dieser Grundhaltung nichts ändert, so lange werden wir mehr oder weniger heftig auf griechischen Pfaden wandeln. Man möge niemals vergessen: Kurz bevor der griechische Schulden-Krug zerbrochen ist, wurde er noch unter kräftiger Mithilfe der Berliner Bundesregierung am Brunnen der deutschen Rüstungsindustrie gefüllt! Der halbe Keynesianismus ergänzt durch eine Steuersenkungspolitik zugunsten der Superreichen al la Milton Friedman das ist die Ursache der Schuldenkrise! Wir müssen überall mit diesem Selbstbetrug aufhören und uns mit den Wörtern „weniger“ und “vernünftiger“ anfreunden.
Der Selbstbetrug findet im Zusammenspiel von Berufspolitikern und Wählerschaft statt. Dieser Selbstbetrug ist wie die Verdrängung der Klima- und Rohstoffkrise Teil dessen, was Prof. Schellnhuber die „Diktatur des Jetzt“ gegen die Zukunft genannt hat. Diese Diktatur wird nicht von einer Machtclique ausgeübt sondern von den großen Mehrheiten im Konsens mit den von diesen Mehrheiten gewählten Berufspolitikern! Wer dagegen argumentativen Widerstand leistet, braucht ein gewaltiges Durchhaltevermögen. Und obendrein ist der Pump-Kapitalismus auch noch extrem unsozial.
Wer soll das bezahlen....?
Seit vielen Jahren überweist der Bundesfinanzminister Jahr für Jahr rund 40 000 Millionen Euro an Zinsen für den Schuldenberg des Bundes. An wen? An alle jene, die es sich leisten können, dem Staat Geld zu leihen. Das sind nicht gerade die ärmsten Mitbürger. Das sind eben die viel umworbenen „Anleger“. Nicht nur Staatsfonds aus China oder den Emiraten. Auch viele gut gestellte Leute aus aller Welt, legen an. Und bekommen Geld aus Schäubles Haus. Bezahlen müssen die 40 Milliarden Zinsen wir alle. Auch die ganz kleinen Leute finanzieren z.B. über die Mehrwertsteuer oder über die Lohnsteuer diese Zinszahlungen des Staates an die Gläubiger des Staates. Insgesamt ist unser Gemeinwesen bekanntlich mit mehr als 2 Billionen verschuldet. Das bedeutet, dass bei einem Zinssatz von 2 bis 3% rund 50 000 Millionen Euro an Zinszahlungen pro Jahr (!) an die reichen Leute aus öffentlichen Haushalten (Bund, Länder und Gemeinden) ausgezahlt werden. Der Bundesschuldendienst ist bekanntlich der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt… Man muss sich klar machen: Die Verschuldung des Staates ist eine gigantische Umverteilung von riesigen Geldmengen von unten nach oben! Entschuldung wäre deshalb auch der Abbau dieser sozialen Absurdität.
Wie will Bayerns CSU die Schulden los werden?
Jetzt, so hat Herr Seehofer angekündigt, macht Bayern Schluss mit dieser Fehlentwicklung. Bis demnächst wird Bayern seine Schulden los sein. Finanzminister Markus Söder wurde am 24.1. im Bayerischen Rundfunk über die Pläne für die Entschuldung des Freistaates befragt. Wie soll das gehen? Söders Antwort war nicht unergiebig:
Erstens will man den Länderfinanzausgleich zugunsten Bayerns verändern. Das ist nicht neu - schau mehr mal, was die anderen dazu sagen und ob sich da was erreichen lässt. Warum auch nicht? Der grüne Herr Kretschmann kann sich das alles auch vorstellen. Da bin ich mal gespannt, was dessen Parteifreunde in den anderen Bundesländern sagen werden…
Zweitens will Söder die Landesbank für einen evtl. Verkauf fit machen. Das war besonders interessant: Originalton Söder: „Weniger Politik in der Landesbank. Weniger internationale Geschäfte , mehr regionales Engagement. Weniger Kredite an Konzerne, mehr an den bayerischen Mittelstand.“ Genau dieses Programm für die Landesbank wurde von uns in den letzten Jahrzehnten immer eingefordert: Raus mit allen Politikern aus den Kontrollgremien der Landesbank – die Briefe und Presseerklärungen zu dieser Forderung aus unserer Feder kann man kaum zählen. Wir haben auch die internationalen Geschäfte der LBB und die Konzernorientierung des Geschäfts stets kritisiert. Nur zur Erinnerung: Die LBB hat den Temelin-Betreiber CEZ mit großzügigen Krediten versorgt. Sie ist am Bau des neuen finnischen Atomkraftwerks in Olkiluoto beteiligt, der trotz unsagbar billiger Kredite zu einem Milliardengrab geworden ist und immer noch nicht funktioniert. Die genauen Zahlen werden nicht herausgerückt – Geschäftsgeheimnis!
Ich finde es sehr erfreulich, dass nach erfolgtem Reinfall Söder jetzt erkennt, dass die Strategie seiner bewunderten Vorläufer – von Stoiber bis Huber und Faltlhauser – unter der Überschrift „Größenwahn ist unser Geschäft!“ gelaufen ist. Söder erkennt anscheinend, dass wir richtig lagen, wenn er jetzt verkündet, dass man mit dieser bescheideneren Strategie die LBB auf die Beine bringen kann und sie anschließend vielleicht sogar los werden wird. Allerdings ist es schon sehr dreist, den Schuldenklotz schlechthin ins Gespräch zu bringen, wenn man nach den Tilgungsmöglichkeiten für 31 Milliarden Staatsschulden befragt wird. Im Landtag hat man mir übrigens kürzlich im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen gesagt, dass die Entpolitisierung der Landesbank ein Blödsinn ist. Wir hatten per Petition eine Änderung des Ministergesetzes verlangt. Minister sollten nicht mehr in den Aufsichtsräten sitzen dürfen. Minister sollten nicht mehr sofort in die Privatwirtschaft wechseln dürfen. Unser Anliegen sei verfassungswidrig hat man mir seitens CSU, SPD, FDP und Freie Wähler (!) gesagt. Aufsichtsräte für Minister und der fliegende Wechsel vom Staatsamt an die Futtertröge der Privatkonzerne sei Verfassungsgebot… und ich infolgedessen fast sowas wie ein Verfassungsfeind, meinten die Herrschaften Landtagsabgeordneten einschließlich der angeblichen Opposition von SPD und Freien Wählern. Nur die Frau Tausendfreund von den Grünen wollte in unserem Anliegen einen guten Kern erkennen. Chapeau – Frau Tausendfreund!
Wieviel Staat brauchen wir und
wo kann sinnvoll gespart werden?
Aber zurück zu Söders Entschuldungsinterview: Er hat noch ein Drittes gesagt: Es könne nicht angehen, dass man weiterhin Jahr für Jahr 1000, 2000, 3000 oder noch mehr neue Beamte einstellt. Wir müssen nachdenken, was der Staat eigentlich zu tun hat und was er nicht zu tun hat. Klartext: Söder will den Staat personell schrumpfen. Das hat übrigens am vergangenen Freitag auch sein Chef dem Straubinger Tagblatt verkündet. Da freut sich der Stammtisch.
Ich wäre aber gespannt, wie die konkreten Schrumpfungspläne bei den Staatsbediensteten aussehen werden:
Brauchen wir weniger Polizisten?
Brauchen wir weniger Lehrkräfte?
Brauchen wir noch weniger Steuerfachleute, wo ohnehin schon heute in Bayern die allermeisten Erklärungen durchgewunken werden und viele Betriebe niemals eine Steuerprüfung erleben?
Ganz pfiffig war dann noch die Aussage des (CSU-) Finanzministers, dass man die Pensionsfonds für die Beamten nicht mehr weiter anfüllen wolle, weil da nur wenig Zinsen zu bekommen sind. Gescheiter wäre es, Schulden zu tilgen, weil man hier höhere Zinsen einsparen kann. Das ist nicht dumm. Problematisch ist halt bloß, dass sich womöglich in 20 oder 30 Jahren weder Herr Söder noch Herr Seehofer an der Regierung befinden werden. Vielleicht haben wir dann eine Regierung, die mit noch größeren Haushaltsproblemen zu kämpfen hat als es die heutige muss. Vielleicht hat man dann keine Möglichkeiten mehr, die ehemaligen Staatsdiener zu alimentieren. Einen gut gepflegten Pensionsfonds auf der Basis seriöser Sachwerte gäbe es vielleicht noch. Auch keine Garantie - aber die Vorsorge für tatsächlich bestehende Verpflichtungen gehört schlicht zu den Grundsätzen seriöser Staatsfinanzierung. Auch wenn das viele Leute nicht hören wollen: Beamte sind für den Staat finanziell so lange günstiger als Angestellte, als sie aktiv im Dienst sind. Genau besehen verzichten Beamte während der aktiven Zeit auf Geld, weil sie ja der Staat später außer Dienst immer noch alimentieren muss. Es wäre deshalb seriös, ständig Rücklagen zu bilden. Das hat man vor Jahren endlich versucht zu realisieren. Die famosen Seehofer-Söder-Buam entschließen sich jetzt, auf diese Seriosität wieder zu verzichten.
Privatisieren um jeden Preis? –
Die Janusköpfigkeit der Freien Wähler
Aber viel wichtiger ist, dass wir Bürgerinnen und Bürger jetzt jeden CSUler ständig fragen, welche Beamten denn eingespart werden können. Welche Aufgaben muss der Staat künftig nicht mehr erfüllen? Soll der Washington-Konsensus unseligen Angedenkens wieder gelten: Privatisieren und Deregulieren um jeden Preis! Steuern senken und den Staat minimieren! Diese Fragen sollten wir auch Herrn Aiwanger (Freie Wähler Bayern) stellen! Seinem neuen Kompagnon Hans-Olaf- Henkel muss man hingegen diese Frage nicht stellen: Der ist ein erklärter Befürworter eines schwachen Staates, weil er ein Marktradikaler ist und an die unsichtbare Hand glaubt, die in der freien Marktwirtschaft alles regelt. Das kommt mir immer so vor, als plädiere man für die Abschaffung des Schiedsrichterteams bei großen Fußballspielen. Warum sollte da nicht auch die unsichtbare Hand alles zum Wohlgefallen regeln? Aber wir müssen nicht nur nach Reduzierungsmöglichkeiten fragen - wir können auch antworten: Alle Ministerien haben mittlerweile ausufernde Grundsatzabteilungen, die sich genau besehen der politischen Propaganda und dem Entwurf von Strategien zum Machterhalt widmen. Diese seinerzeit von Strauß und Stoiber eingeführten Abteilungen kann man ohne Verluste einsparen. Man braucht genau besehen auch keine Staatssekretäre, über die seinerzeit schon Franz-Josef-Strauß gespöttelt hat: „Es muss nicht bei jeder Eröffnung einer Fischdose in Bayern ein Kabinettsmitglied dabei sein.“ Wo er recht hatte, da hatte er recht.
Über das Leben nach der käuflichen Politik
Wann beginnt das Leben?
Sie kennen wahrscheinlich den alten Witz von der älteren Dame, die im Cafe die hitzige Debatte am Nebentisch von ernsthaften Studenten der Theologie, Biologie und Philosophie über den Beginn des Lebens verfolgt. Während der eine sagt, das Leben beginne mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, und er andere entgegenhält, es gehe erst mit der Nidation los, bezieht der andere gar die radikale Position, wonach das Leben so richtig erst beginne, mit der Entwicklung der Kognition und Sprachfähigkeit. Da mischt sich die alte Dame ein und klärt auf: „Meine lieben jungen Herren: Das Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Mann gestorben ist!“
Für einen Großpolitiker beginnt offensichtlich das Leben, wenn der Staatsjob vorbei ist. Dass sich ein gewisser Herr Stoiber heute nicht nur um den Bürokratieabbau in der EU sondern auch noch um die Beratung des niveaumäßig kaum zu unterbietenden Fernsehkonzerns Sat1/Pro 7 kümmert, ist ärgerlich und eines ehemaligen Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern unwürdig. Dass sich aber ein ehemaliger Bundeskanzler (Gerhardt Schröder) als bezahlter Umweltbeauftragter eines russischen Ölkonzerns nicht um die von seiner Firma verursachten großräumigen Verseuchung eines ganzen Landes kümmert (es war kürzlich in einer erschütternden Doku in der ARD zu sehen) ist weit schlimmer. Dass sich ein ehemaliger Grüner Spitzenmann wie (Joschka) Fischer heute um das Greenwashing von Autokonzernen bemüht und ein anderer Grüner, der ehemalige für gesunde Ernährung zuständige Staatssekretär der Frau Künast im Verbraucherschutzministerium heute als Manager von Schokoriegel-Mars betätigt, passt dazu. Wir wurden regiert von Schwarzen, Roten, Grünen und Gelben. Kaum waren sie raus aus der Politik, haben sie uns gezeigt, wo sie sich am wohlsten fühlen: Bei denen, die ihnen seit jeher für ihre Parteien das Geld gaben. Es sind die gleichen, die ihnen heute im privaten Ruhestand als Geldgeber zur Verfügung stehen. Das alles kann bei einem Demokraten schon bestimmte Bewegungen in der Magengegend verursachen…auch ohne Schokoriegel, Ölgestank, Abgasgift und ohne Sat1/Pro7-Schmuddel-Programm.
Der ehemalige Finanzminister unseres schönen Freistaates ist ohne Scham-Pause direkt in die Vorstandsetage der Sparkassen gewechselt. Vorher hat er noch dafür gesorgt, dass das Landesbankdebakel ohne Schaden für seinen künftigen Arbeitgeber ablaufen konnte. Transparency International will so ein Verfahren nicht dulden. Die Hans-Böckler-Stiftung prangert so etwas als korruptionsverdächtig an. Die allermeisten nachdenklichen Bürger schütteln den Kopf. Wir haben – wie gesagt - draus eine Petition an den Landtag gemacht.
Minister sollen mindestens 5 Jahre warten, bis sie sich als ehemalige Politiker in den Dienst einer privaten Firma stellen. Das sei ein Berufsverbot und deshalb verfassungswidrig wurde mir im Landtag gesagt. Dazu braucht es keinen weiteren Kommentar.
Die Grenzen des Wachstums
Kommen wir endlich zum Wichtigsten.
Zum Wachstum an sich. Vor genau 40 Jahren wurde die berühmte Studie des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums veröffentlicht. Mir fällt auf, dass der Begriff des „Wachstums“ als Ziel an sich wieder fröhliche Urstände feiert: Die FDP verspricht sich davon sogar ein sog. „Alleinstelllungsmerkmal“ in der Parteienlandschaft. Rösler und Co behaupten, dass sich die ganze politische Szene in einer gefährlich einseitigen, wachstumskritischen Haltung ergehe. Da müsse man endlich dagegen halten und ohne alles Wenn und Aber zum „Wachstum an sich“ und ohne Wenn und Aber stehen. Das ist tiefenpsychologisch hoch interessant: Die FDP als „Partei des Wachstums“! Da spielt sich bei dieser Partei ein faktischer Schrumpfungsprozess ab… was liegt da näher, als vom Wachstum zu phantasieren… Aber dennoch: Franz-Josef Strauß hätte seine Freude an dieser FDP. „Ohne Wachstum ist alles nichts. Ohne Wachstum wird uns auch die Demokratie verloren gehen.“ So hat er seinerzeit getönt und jeden Wachstumskritiker vorsichtshalber gleich einmal ins Kommunisteneck gestellt. Müsste der Wachstumsfreund FJS heute in die FDP eintreten? Ach wo. Die FDP irrt sich - wie gewöhnlich! Da ist weit und breit kein Alleinstellungsmerkmal zu sehen. Da bildet sich keine wachstumskritische Szene im Bundestag. Man unterhält zwar eine sehr löbliche Enquete- Kommission zur Begrübelung der Problematik des Bruttoinlandsprodukts als Messgröße für den Wohl-Stand. Man leistet sich dieses Forum, in dem alle möglichen Leute vortragen dürfen – kürzlich sogar Dennis Meadows.
Er hat den Bundestagsabgeordneten vorgehalten, dass keines der von ihm seinerzeit vor 40 Jahren geschilderten Probleme gelöst sei – dass sich vielmehr die Erschöpfungsprozesse des Planeten beschleunigen würden und in den nächsten 20 Jahren Veränderungen anstünden, auf die niemand vorbereitet sei. Wenn Meadows wenigstens ein Deutscher wäre – dann könnte man ihm die berühmte „german angst“ und den angeblich bei uns heimischen Pessimismus vorwerfen. Nun ist der Mann aber leider Amerikaner und deshalb nach gängigem Stereotyp auf Optimismus genetisch und sozialpsychologisch programmiert! Der kann nicht normal sein…
Normal ist das, was alltäglich auf den Pressekonferenzen und in den Gesetzgebungsorganen, in Arbeitskreisen und Lobbyistenzirkeln verkündet und verhandelt wird.
Normal ist, was Frau Merkel vorträgt.
Normal ist, was Seehofer und Ude trällern.
Normal ist, was die Stones von der SPD – Steinmeier und Steinbrück – rocken.
Normal ist, was mittlerweile auch viele Grüne in leicht abgewandelter Tonart trällern.
Normal ist, was der alte radikal-wirtschaftsliberale, jüngst für „Aiwangers lustige (Freie Wähler) Kasperlbühne“ angeheuerte, Hans-Olaf Henkel dem Publikum eintrichtert:
Mehr, mehr, mehr!
Es erscheinen zwar kluge und aufrüttelnde Bücher zum Thema Kritik des absurden Wachstumsdenkens. Mehr Studien als je zuvor – das ist selber ein Wachstumsprozess. Aber die Botschaft dringt nicht durch. Wer am abgenutzten Wort „Nachhaltigkeit“ auch nur ein wenig kratzt, merkt schnell, dass hinter der Nachhaltigkeits-Floskel in aller Regel kein wirklicher Neuordnungswille zu finden ist. Nachhaltigkeitsreden als Fassadenschmuck sind nur ärgerlich.
Die Verkehrsprognose für Bayern
Ich kann beweisen, dass die reale Politik von Wachstumskritik abolut nicht angerührt ist, kein bisschen, nullkommanull: Diese Schwarte ist die Grundlage dessen, was wir wohl noch in diesem Sommer oder spätestens im Herbst von der Staatsregierung präsentiert bekommen werden: Das ist die offizielle Verkehrsprognose für den Freistaat Bayern bis zum Jahre 2025, aufgrund derer der „Gesamtverkehrsplan Bayern“ für die nächsten Jahrzehnte aufgestellt werden wird. Was steht drin? Da braucht es nicht viel Fantasie oder gar Hellsehergabe. Die Antwort lautet: Alles wird wachsen.
Annahme für das BIP des Freistaates: Jährlich plus 2,2 %
Anstieg der Erwerbsquote (vor allem durch mehr Frauen und mehr über 60jährige in Erwerbsarbeit): plus 9 %
Anstieg des PKW-Bestandes: plus 12% - vor allem durch Zweit- und Drittmotorisierung.
Zunahme Personenverkehr von 15.4 Mrd. Fahrten (2007) auf 16.7 Mrd. Fahrten (2025) das sind plus 8,5 % insgesamt und beim motorisierten Verkehr stolze 12,2%
Die Verkehrsleistung nimmt dabei noch stärker zu als die Anzahl der Fahrten, weil der Fernverkehr überproportional zunehmen wird und generell die zurückgelegten Strecken länger sein werden: Von 240 Mrd. Pkm in 2007 auf 292 Mrd. Pkm in 2025.
Woran deutsche Autoingenieure Arbeiten:
In welchen Fahrzeugen das ganze stattfinden kann möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Die dpa meldet am 15.10.2011:
„Audi bringt im Frühsommer 2012 eine neue Generation des S8 auf den Markt. Das Topmodell der sportlichen S-Familie fährt künftig mit einem V8 Motor statt mit zehn Zylindern. Der 4.0 TFSI entwickelt dank Doppelturbo 520 PS und beschleunigt die Luxuslimousine in 4,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, teilt der Hersteller mit. In Fahrsituationen, in denen nur wenig Motorleistung abgerufen wird, schalten sich 4 der 8 Zylinder automatisch ab. Im Vergleich zum V10-Vorgänger sinkt der Verbrauch laut Audi um rund drei auf 10,2 Liter. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 242 Gramm pro Kilometer. Der neue S8 kostet ab 111 900 Euro.“
Daran arbeiten also Deutschlands beste Ingenieure der Automobilindustrie im Jahre 2011 – an einem 520 PS-Geschoß mit einem Ausstoß von 242 Gramm CO2 pro Km. Welche Verschwendung von Grips und Sinn!
Zurück zu der Verkehrsprognose 2025 - wörtliches Zitat: „Die Hauptgründe für die Zunahme der Mobilität liegen auch künftig im Wirtschaftswachstum.“ Da schau her, wer hätte das gedacht.
Übrigens: Falls die angeplanten großen Bahnprojekte – vom Brennerbasistunnel bis zur Neubaustrecke Ulm–Stuttgart und ein halbes Dutzend weiterer Schnellfahrtstrecken – wirklich realisiert werden, dann prognostiziert die Studie dem Bahnverkehr noch höhere Steigerungsraten wie dem Straßenverkehr. Soweit die Prognose für den Personenverkehr.
Jetzt halten sie sich fest: Jetzt kommen die Zahlen für den Güterverkehr:
Von 2007 bis zum Jahre 2025 wird sich die Transportleistung im Güterverkehr in Bayern um 53,2 % vergrößern und zwar von 146,2 Milliarden Tkm auf 224,0 Mrd. Tkm.
Auf der Straße: plus 55,7%
Auf der Schiene: plus 49,2%
Und das Schiff? Nimmt auch zu. Die hier einzig wichtige Achse „Main-MainDonauKanal-Donau“ leistet derzeit ganze 2,4% der Verkehrsleistung. Hier wird ein Wachstum von 20% bis 2025 prognostiziert – erstaunlicherweise bei Annahme, dass die Variante A beim Donauausbau verwirklicht wird!
Insgesamt also sollen wir uns einstellen auf ein jährliches Verkehrswachstum von plus 2,45 % pro Jahr beim Güterverkehr und 1,1 % mehr pro Jahr beim Personentransport. Das bedeutet, dass es insgesamt wohl ziemlich eng werden wird auf den Straßen in Bayern… wenn nicht gebaut wird! Und Sie können sich drauf verlassen: Es wird gebaut werden. Auch wenn Herr Ude (SPD) in die Staatskanzlei einzieht und Herr Aiwanger (Freie Wähler) Verkehrsminister werden wird. Die beiden freuen sich jetzt schon auf die Kameras, wenn sie mit goldenen Scheren weißblaue Bänder zerschneiden dürfen. Das ist mindestens so schön, wie mit zwei Schlägen einen Bier- Banzen zu eröffnen oder eine Schampusflasche anzuzapfen.
Zurück zu den interessanten Ergebnissen dieser Studie: Flugverkehr. Steigerungsrate bis 2025 in Bayern?
Originalzitat aus der Studie: „Im Luftverkehr findet das mit Abstand stärkste Wachstum statt (plus 92,1 % beim Verkehrsaufkommen/plus 93,4% bei der Verkehrsleistung.) Er profitiert neben dem anhaltenden Trend zu Fernreisen im Urlaubsverkehr und der international zunehmenden Verflechtung der Wirtschaft vor allem auch vom Wachstum des sonstigen Privatverkehrs…“
Hurra! Es geht voran!
Eine Verkehrsart wird allerdings nicht nur kein Wachstum haben sondern sogar abnehmen:
Die Bewegung zu Fuß – minus 2%!
Der Fahrradverkehr wird hingegen als Freizeitsport zunehmen, zum Zweck des Semmelkaufs oder des Aufsuchens einer Schule oder Arbeitsstätte wird aber auch dieser abnehmen…
Was ist die Folge solcher Studien?
Da gäbe es mehrere:
Ja wenn es so ist, dann muss man halt auch noch den Rest des Freistaates asphaltieren.
Oder aber man überlegt sich: Was können wir tun, dass diese Prognose nicht eintritt?
Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß
Wenn mir der Arzt sagt, dass ich bei Fortsetzung meines derzeitigen Lebensstils ein hohes Diabetesrisiko eingehe und mit Amputationen der Extremitäten rechnen muss, kann ich mich ja schon mal auf die Schnäppchenjagd im Prothesen und Rollstuhlbereich machen. Ich könnte aber auch meinen Lebensstil ändern… Und jetzt sind wir am Knackpunkt: Wer in der Politik von einer Änderung des Lebensstils spricht, ist schon unten durch. Das sagen alle soziologischen Studien. Die meisten Leute wollen, dass sich alles ändert, aber nicht bei ihnen selbst. Und nicht durch Gesetze oder Steuern. Und nicht durch staatliches Handeln. Wer für Tierschutz ist, soll sich einen Hamster artgerecht halten. Hab ich doch nichts dagegen. Wer für Klimaschutz ist, soll halt zu Hause bleiben. Aber auf keinen Fall eine Kerosinsteuer einführen, die alle trifft. Kein Tempolimit. Die Polizei sollte endlich die Langsamfahrer, die mit 120 die linke Spur blockieren aus dem Verkehr ziehen, forderte kürzlich ein Anrufer im Tagesgespräch des Rundfunksenders B2. Anschließend erklärte er sein Lieblingstempo 230 für normal auf deutschen Autobahnen…
Alles in allem hat mir diese Verkehrs-Prognose bewiesen: Das ganze Umweltgerede der großen Parteien ist bloß Show. Auch die Grünen – das haben sie sicherlich gelesen – haben jetzt ihren Frieden gemacht mit dem Ausbau des deutschen Autobahnnetzes. Es war zu erwarten. Diese Gesellschaft lügt sich kollektiv die Welt schön. Nochmals zurück zu dieser Prognose. Jetzt kommt das absolute Zuckerl. Man hat auch die Entwicklung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen prognostiziert. Na, wie wird sich das wohl auswirken?
Richtig. Großartig. Es wird nämlich keine Erhöhung der verkehrsbedingten C02-Emissionen im Freistaat geben. Alles wird bleiben wie es ist. Kein Wachstum beim CO2-Ausstoß. Abgesehen davon, dass ich mich frage, woher die Energie alleine für das Wachstum des Gütertransorts auf Schiene und Straße um rund 50% herkommen soll, wie man die Energie für die Verdoppelung des Flugverkehrs gewinnen will möchte ich doch an so manche feierliche Verkündigung der deutschen Politiker auf Klimakonferenzen und in Sonntagsreden erinnern:
Wollten wir nicht den Ausstoß von Klimagasen reduzieren?
Sollten die Emissionen nicht sinken?
Haben wir nicht Klimaziele vereinbart?
Wissen wir nicht zuverlässig, dass es nicht so bleiben darf, wie es ist, dass vielmehr in den nächsten 10 Jahren drastisch die Emissionen gesenkt werden müssen?
Aber wenn der Verkehr so zunimmt, dann kann man doch nicht jammern… Da ist doch die Stagnation der Emissionen schon ein Erfolg!
ÖDP ist kein Erfüllungsgehilfe für Prognosen
Liebe Leute!
So darf es nicht kommen!
Wer sich um die Zukunft seiner Kinder und Enkel sorgt, der muss in die konstruktive Opposition zu diesem desaströsen Prognose-Erfüllungsgehilfen gehen. Diese Verkehrsprognose darf nicht Wirklichkeit werden. Auch andere Prognosen dürfen nicht Wirklichkeit werden. Prognosen über die Rohstoffausbeutung. Prognosen über die Landwirtschaftsentwicklung hin zu Mega-Super- Riesen-Farmen. Prognosen über die Verteilung von Wasser und Boden. Prognosen zum weltweiten Energieumsatz. Prognosen zum allmählichen Verschwinden der Kinder!
Politik muss manche sich abzeichnende Entwicklungen rechtzeitig erkennen und manche desaströse Trends auch aufhalten. Politik muss bewerten. Sie muss steuern, nicht bloß treiben lassen.
Wir haben die Debatte um das Dürerbild hinter uns: Man hat die möglichen Folgen für dieses Welterbe erörtert und endlich sich geeinigt: Kein Risiko eingehen. Das Bild bleibt in München. So weit so gut. Das Klima dieses Planeten ist mindestens so wertvoll wie das 500 Jahre alte Selbstportrait des gigantischsten Franken aller Zeiten! Ich bin dafür, mit dem Klima mindestens so sorgfältig umzugehen wie mit diesem Kunstwerk!
Wenn sich bis 2025 der Ausstoß klimaschädlicher Gase nicht ändert, dann treten die schlimmsten Erwartungen der Klimaforscher ein. Dann bekommen wir eine Welt, mit Wanderungskriegen. Dann geht es drunter und drüber. Wer will diese Welt für seine Enkelkinder? Wer eine andere, eine immer noch lebenswerte Welt will, der muss heute was tun. Der muss kündigen – nicht nur beim Söder-Seehofer-Haderthauer-( CSU/CDU-)Konzern. Erst recht bei Udes Sönnenkönigs-Egotrip-(SPD-)Pro jekt. Auch bei Aiwangers lustiger (Frei Wähler-) Kasperlbühne . Meiner Meinung nach auch bei Bauses flotter Lifestyle-Truppe. Sie sind sich alle darin einige, die Dinge nicht so ernst zu nehmen und den Leuten vorzugaukeln, dass eine Änderung des Lebensstils verzichtbar ist.
Die Wahrheit ist anders.
Das Leben wird lebenswert sein – aber es wird weniger materialistisch ausgerichtet sein. Man kann es nicht besser sagen als es Gandhi gesagt hat:
„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier!“
Echter Wohlstand statt Zeitnot
Ich hatte vor wenigen Tagen die Gelegenheit, den Vordenker der christlichen Sozialwissenschaften in Deutschland, den Jesuitenpater Prof. Hengsbach zu hören. Er plädierte dafür, die frei verfügbare Zeit, also jene Stunden und Tage, die nicht von Erwerbsarbeit und materieller Existenzssicherung beansprucht sind, als wesentlichen Wohlstandsfaktor zu definieren. Wer für die Existenzsicherung einen Vollzeit- und zwei zusätzliche Minijobs braucht, der hat seine Freiheit und Menschenwürde schon ein Stück weit verloren. Von Wohlstand kann da keine Rede sein. Aber auch ein wenig weiter oben in der Gesellschaft, in ihrer breiten Mitte, bei den ganz normalen fleißigen Leuten, dort wo für den Erhalt der Familie zwei Vollzeitberufe benötigt werden – auch dort fehlt diese Voraussetzung von Autonomie und freier Lebensgestaltung und es herrscht jeden Tag Zeit-Not!
Und noch ein paar Stufen weiter oben, wo im Bereich der Führungskräfte Teilzeit nicht mehr geduldet wird und eine Leistungs-Bereitschaft rund um die Uhr, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr erwartet wird, ist das Wohlstandskriterium „Zeit“ auch passe. Übrigens: Der Lehrer von Prof. Hengsbach, der unvergessene Pater v. Nell-Breuning, der viel bemühte Nestor der katholischen Soziallehre und maßgebliche Berater von Päpsten, Kanzlern und Gewerkschaften hat schon in den 70er Jahren verlangt, die Arbeitszeiten angesichts explodierender Produktivität drastisch zu senken. Er war seinerzeit den Gewerkschaften Kleinmut vor, als diese die 35-Stunden-Woche vorschlugen. Der Jesuit Nell-Breuning forderte provokativ die 10- Stunden-Woche in der Wirtschaft als Ziel, um den Menschen mehr Autonomie für ihre Lebensführung zu verschaffen. Dem schließe ich mich nicht an. Aber die Zielmarke des Post- Wachstums-Ökonomen Niko Paech, nämlich das Ziel einer 20-Stunden-Arbeitswoche bei reduziertem Geldeinkommen, die klingt mir schon realistischer und vor allem sowohl verlockend als auch sinnvoll: Wenn ich die Werte „Menschenwürde“, „Lebensqualität“, „Selbstbestimmung“, „kreative Gestaltung der eigenen Verhältnisse“ und „Erhalt der Lebensgrundlagen auf Dauer für alle noch kommenden Generationen“ ernst nehme, dann muss ich Abschied nehmen vom rücksichtslosen Verbrauch der Ressourcen, von raschem Verschleiß, von gezielt kurzen Lebenszeiten vieler Produkte, von Massentierhaltung, von unmenschlicher Kinderarbeit z.B. auf den Kakaoplantagen zwecks billiger Schokolade in Massen, von ebenso unmenschlichen Bedingungen in den Textil und High-Tech-Fabriken Asiens. Der Abschied von diesem zynischen System - Elend der einen um den Luxus anderer zu ermöglichen – ist überfällig!
Ich halte das für die ernste Wahrheit: Die höchsten humanen und ökologischen Werte sind nicht zu sichern, in einer Ökonomie, die von der Ideologie des „Immer-mehr“ getrieben ist. Deshalb sind wir für eine Post-Wachstums-Wirtschaft und eine Post-Wachstums-Gesellschaft. Damit stehen wir zwar an der Seite vieler Buchautoren, Sozialwissenschaftler und nachdenklicher Menschen. Aber in der Polit-Szene stehen wir ziemlich alleine da, seit die allermeisten Grünen ihren Frieden mit der Wachstumsideologie gemacht haben und sich nur noch kosmetische Korrekturen am herrschenden Modell vorstellen wollen.
Das wird am deutlichsten in der Energiefrage.
--Facebook, Google und die große Freiheit
Schulden und kein Ende? Vom Umgang mit den Theorien von John Maynard Keynes
Unser mehr und mehr von Berufspolitikern beherrschtes politisches System leidet darunter, dass ein auf das Mandat angewiesener Volksvertreter eben diesem Volk keine unangenehmen Fakten zumuten kann und schon gar keine „Opfer“ abverlangen darf. Wer wiedergewählt werden will, darf keine unangenehmen Forderungen erheben und er darf keine unangenehmen Fakten dulden. Eine konjunkturelle Abwärtsbewegung ist so ein unangenehmes Faktum.
Deshalb haben schon vor langer Zeit kluge Köpfe wie John Maynard Keynes die wirtschaftspolitische Theorie vom antizyklisch agierenden Staat entworfen. Wenn die Wirtschaft lahmt, möge der Staat traben und nötigenfalls sogar galoppieren – sprich: öffentliche Aufträge und Nachfrage generieren. Dazu dürfe und müsse er sich gerne auch verschulden. Diesen Teil des Keynesianismus praktizieren heute weltweit alle Regierungen, auch jene, die Keynes vehement ablehnen und als Irrlehrer brandmarken. (Das tun z.B. die amerikanischen Republikaner und die „tea-party“-Fanatiker, während sie gleichzeitig eine immense Aufrüstung ihres ohnehin völlig überrüsteten Landes fordern. Rüstung stellt immer eine staatliche Bestell-Orgie dar, ist also eines der beliebtesten Konjunkturprogramme).
Keynes ist voll akzeptiert.
In modernen Staaten wird immer viel Geld ausgegeben, um die sinusförmigen Konjunkturzyklen in lineare Aufstiegslinie zu verwandeln. Das gelingt zwar nirgendwo, aber es wird überall mit Milliarden und Abermilliarden versucht.
Keynes ist übrigens nicht schuld. Er ging wie selbstverständlich davon aus, dass bei anspringender Konjunktur der Staat seine Aktivitäten zurückfährt, aufgenommene Kredite tilgt und für die unweigerlich später wieder kommenden schlechteren Zeiten Rücklagen bildet…
An genau diesem Punkt steigt der moderne Berufspolitiker jeglicher Couleur aus dem Keynesianismus aus, weil dieser Teil eine Zumutung darstellt: Das „zarte Pflänzchen Konjunktur“ dürfe auf keinen Fall gefährdet werden, man könne „doch jetzt im beginnenden Aufschwung“ nicht Steuern erhöhen oder vorher zwecks Ankurbelung der Wirtschaft gewährte Steuervergünstigungen zurücknehmen, das sei alles „Gift für die Konjunktur“.
Die Wurzel der Staatsverschuldung und des drohenden Zusammenbruchs der heutigen Finanzordnung liegt also meines Erachtens in einem aus Feigheit vor dem Bürger nur halb praktizierten Keynesianismus! Man hat mit Hingabe die Bekämpfung der Konjunkturtäler praktiziert aber sich stets vor dem Abbau der vorher aufgenommenen Schulden gedrückt.
Beweis: Wir haben - wie der lustige Herr Brüderle zu sagen pflegt - ein paar „XXXL- Boom- Jahre“ erlebt. In diesen außergewöhnlich grandiosen Erfolgsjahren ist es uns gelungen, die Neuverschuldung des Bundes von ursprünglich geplanten 80 zusätzlichen Milliarden auf nur noch rund 40 Milliarden zu drücken. Für das laufende Jahr ist gar eine Senkung der Nettokreditaufnahme von unter 20 Milliarden Euro geplant – weil die Staatseinnahmen so grandios sprudlen!
Die Schuldenbremse
Das ist große Spar- und Vernunftpolitik, für die wir Bürger dankbar sein müssen: In seltenen Superjahren wie diesen, gelingt es uns, lediglich 20 000 Millionen Euro zusätzliche Schulden aufzunehmen, um den Bundeshaushalt auszugleichen! Keynes ging davon aus, dass in guten Jahren nicht nur keine Neuverschuldung erfolgt, sondern dass alte Schulden getilgt werden und womöglich Rücklagen angesammelt werden. Ganz schön naiv dieser alte Mr. Keynes! Na ja, er ist ja auch schon lange tot.
In diesem Zusammenhang ein Wort zur viel zitierten und noch mehr bejubelten „Schuldenbremse“, die wir jetzt im Grundgesetz haben und die ab 2016 gelten wird. Wer jetzt meint, das würde bedeuten, dass keine Schulden mehr gemacht werden dürfen, bzw. dass vielleicht sogar die alten Schulden verringert werden müssen, der irrt. Eine solche echte Schuldenbremse hat nur die Schweiz. Die Schuldenbremse (GG Artikel 109 und 115) verbietet den Ländern ab demnächst jegliche Neuverschuldung; für den Bund gilt eine Begrenzung der Neuverschuldung und zwar auf den Satz von 0.35% vom BIP. 0,35% - das ist eine Zahl, die sehr nach 0 ausschaut. Bei einem BIP von 2500 Milliarden sind 0,35% immerhin noch fast 9 Milliarden Euro… die Schuldenbremse bedeutet also, dass die Neuverschuldung des Bundes jährlich 9000 Millionen betragen darf. So habe ich mir eine Bremse immer vorgestellt: Wenn es auf die Wand zugeht einfach ein bisschen weniger Gas geben!
Die Schuldenmacher in Deutschland
Man muss die Dinge manchmal personalisieren: Von Helmut Schmidt über Helmut Kohl bis zu Gerhard Schröder und Angela Merkel, aber auch von Strauß über Stoiber bis zu Beckstein und Seehofer einschließlich der zugehörigen Oppositionsführerinnen und –führer eint eine Verantwortung alle: Sie haben es sich durch die geschilderte Schuldenpolitik leicht gemacht! Sie haben ihre Wählerinnen und Wähler in Schuldenwatte gepackt! Sie haben so getan, als sei das alles kein Problem. Sie haben strenge Stabilitätskriterien für den Euro in Verträge geschrieben und anschließend alle Augen zugedrückt, ja sogar selbst diese Kriterien missachtet. Ja, es waren konkrete Menschen mit berühmten Namen, es waren die immer wieder gewählten Politikerinnen und Politiker, die diese Schuldenpolitik organisiert haben, die uns jetzt den Hals zuschnürt und kommenden Generationen erdrückende Lasten aufbürdet. Sie haben sich gegenseitig Verdienstorden umgehängt und ihre Memoiren geschrieben. Sie haben vom Wachstum geschwärmt und den Leuten die Droge des „immer mehr“ als quasi-religiösen Lebenssinn vertickert.
Es reicht.
Eine falsche Religion:
Ewiges Wachstum zu mehr mehr mehr
Eigentlich müssten sie alle zusammen mit den Bank-Potentaten abtreten oder doch wenigstens in einem großen Bußakt innehalten und sich neu ausrichten. Die eigentliche, tiefste Ursache für die Schuldenkrise ist die falsche Religion vom materialistischen „immer mehr“. Es ist in dieser Religion bei Strafe der Exkommunkation verboten, Zuwächse in Frage zu stellen und von „Gleichgewicht“ und „nötiger Reduzierung“ zu sprechen. Warum sollte man auf Zuwächse und „neue Projekte“ verzichten, so lange jemand Kredit gibt?
Man baut eine neue Bundesstraße 15, obwohl sie Natur zerstört und nicht so richtig gebraucht wird. Die CSU will nach wie vor die letzten Teile der freien Donau zum Schaden der Natur und zum Nutzen der Rhein- Main- Donau AG (RMD-AG) in einen gestauten Kanal umbauen. CSU, FDP und SPD wollen eine dritte Startbahn ins Erdinger Moos bauen. Die Natur-Killer-Autobahn durch das Isental wird unglücklicherweise nicht mehr aufzuhalten sein. Auch der absurde Untergrundbahnhof in Stuttgart hat nun seine direktdemokratischen Weihen erhalten – ein weiterer klarer Beweis dafür, dass auch der Volksentscheid nicht zwangsläufig die ökologische und fiskalische Vernunft garantiert. Eine zweite Röhre durch München und ein ICE-Tunnel-System von Nürnberg nach Berlin stehen auch auf der Wunschliste! Warum das alles? Weil sich so das Geld bewegt. Haben wir das Geld? Nicht direkt – aber es gibt Kredit. Das alles funktioniert auch im Kleinen – bei den Städten, Gemeinden und Landkreisen. Wer dagegen stimmt, wer die Schulden reduzieren möchte, muss sich allerhand gefallen lassen. Bremser, Bedenkenträger, Neinsager. So lange sich an dieser Grundhaltung nichts ändert, so lange werden wir mehr oder weniger heftig auf griechischen Pfaden wandeln. Man möge niemals vergessen: Kurz bevor der griechische Schulden-Krug zerbrochen ist, wurde er noch unter kräftiger Mithilfe der Berliner Bundesregierung am Brunnen der deutschen Rüstungsindustrie gefüllt! Der halbe Keynesianismus ergänzt durch eine Steuersenkungspolitik zugunsten der Superreichen al la Milton Friedman das ist die Ursache der Schuldenkrise! Wir müssen überall mit diesem Selbstbetrug aufhören und uns mit den Wörtern „weniger“ und “vernünftiger“ anfreunden.
Der Selbstbetrug findet im Zusammenspiel von Berufspolitikern und Wählerschaft statt. Dieser Selbstbetrug ist wie die Verdrängung der Klima- und Rohstoffkrise Teil dessen, was Prof. Schellnhuber die „Diktatur des Jetzt“ gegen die Zukunft genannt hat. Diese Diktatur wird nicht von einer Machtclique ausgeübt sondern von den großen Mehrheiten im Konsens mit den von diesen Mehrheiten gewählten Berufspolitikern! Wer dagegen argumentativen Widerstand leistet, braucht ein gewaltiges Durchhaltevermögen. Und obendrein ist der Pump-Kapitalismus auch noch extrem unsozial.
Wer soll das bezahlen....?
Seit vielen Jahren überweist der Bundesfinanzminister Jahr für Jahr rund 40 000 Millionen Euro an Zinsen für den Schuldenberg des Bundes. An wen? An alle jene, die es sich leisten können, dem Staat Geld zu leihen. Das sind nicht gerade die ärmsten Mitbürger. Das sind eben die viel umworbenen „Anleger“. Nicht nur Staatsfonds aus China oder den Emiraten. Auch viele gut gestellte Leute aus aller Welt, legen an. Und bekommen Geld aus Schäubles Haus. Bezahlen müssen die 40 Milliarden Zinsen wir alle. Auch die ganz kleinen Leute finanzieren z.B. über die Mehrwertsteuer oder über die Lohnsteuer diese Zinszahlungen des Staates an die Gläubiger des Staates. Insgesamt ist unser Gemeinwesen bekanntlich mit mehr als 2 Billionen verschuldet. Das bedeutet, dass bei einem Zinssatz von 2 bis 3% rund 50 000 Millionen Euro an Zinszahlungen pro Jahr (!) an die reichen Leute aus öffentlichen Haushalten (Bund, Länder und Gemeinden) ausgezahlt werden. Der Bundesschuldendienst ist bekanntlich der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt… Man muss sich klar machen: Die Verschuldung des Staates ist eine gigantische Umverteilung von riesigen Geldmengen von unten nach oben! Entschuldung wäre deshalb auch der Abbau dieser sozialen Absurdität.
Wie will Bayerns CSU die Schulden los werden?
Jetzt, so hat Herr Seehofer angekündigt, macht Bayern Schluss mit dieser Fehlentwicklung. Bis demnächst wird Bayern seine Schulden los sein. Finanzminister Markus Söder wurde am 24.1. im Bayerischen Rundfunk über die Pläne für die Entschuldung des Freistaates befragt. Wie soll das gehen? Söders Antwort war nicht unergiebig:
Erstens will man den Länderfinanzausgleich zugunsten Bayerns verändern. Das ist nicht neu - schau mehr mal, was die anderen dazu sagen und ob sich da was erreichen lässt. Warum auch nicht? Der grüne Herr Kretschmann kann sich das alles auch vorstellen. Da bin ich mal gespannt, was dessen Parteifreunde in den anderen Bundesländern sagen werden…
Zweitens will Söder die Landesbank für einen evtl. Verkauf fit machen. Das war besonders interessant: Originalton Söder: „Weniger Politik in der Landesbank. Weniger internationale Geschäfte , mehr regionales Engagement. Weniger Kredite an Konzerne, mehr an den bayerischen Mittelstand.“ Genau dieses Programm für die Landesbank wurde von uns in den letzten Jahrzehnten immer eingefordert: Raus mit allen Politikern aus den Kontrollgremien der Landesbank – die Briefe und Presseerklärungen zu dieser Forderung aus unserer Feder kann man kaum zählen. Wir haben auch die internationalen Geschäfte der LBB und die Konzernorientierung des Geschäfts stets kritisiert. Nur zur Erinnerung: Die LBB hat den Temelin-Betreiber CEZ mit großzügigen Krediten versorgt. Sie ist am Bau des neuen finnischen Atomkraftwerks in Olkiluoto beteiligt, der trotz unsagbar billiger Kredite zu einem Milliardengrab geworden ist und immer noch nicht funktioniert. Die genauen Zahlen werden nicht herausgerückt – Geschäftsgeheimnis!
Ich finde es sehr erfreulich, dass nach erfolgtem Reinfall Söder jetzt erkennt, dass die Strategie seiner bewunderten Vorläufer – von Stoiber bis Huber und Faltlhauser – unter der Überschrift „Größenwahn ist unser Geschäft!“ gelaufen ist. Söder erkennt anscheinend, dass wir richtig lagen, wenn er jetzt verkündet, dass man mit dieser bescheideneren Strategie die LBB auf die Beine bringen kann und sie anschließend vielleicht sogar los werden wird. Allerdings ist es schon sehr dreist, den Schuldenklotz schlechthin ins Gespräch zu bringen, wenn man nach den Tilgungsmöglichkeiten für 31 Milliarden Staatsschulden befragt wird. Im Landtag hat man mir übrigens kürzlich im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen gesagt, dass die Entpolitisierung der Landesbank ein Blödsinn ist. Wir hatten per Petition eine Änderung des Ministergesetzes verlangt. Minister sollten nicht mehr in den Aufsichtsräten sitzen dürfen. Minister sollten nicht mehr sofort in die Privatwirtschaft wechseln dürfen. Unser Anliegen sei verfassungswidrig hat man mir seitens CSU, SPD, FDP und Freie Wähler (!) gesagt. Aufsichtsräte für Minister und der fliegende Wechsel vom Staatsamt an die Futtertröge der Privatkonzerne sei Verfassungsgebot… und ich infolgedessen fast sowas wie ein Verfassungsfeind, meinten die Herrschaften Landtagsabgeordneten einschließlich der angeblichen Opposition von SPD und Freien Wählern. Nur die Frau Tausendfreund von den Grünen wollte in unserem Anliegen einen guten Kern erkennen. Chapeau – Frau Tausendfreund!
Wieviel Staat brauchen wir und
wo kann sinnvoll gespart werden?
Aber zurück zu Söders Entschuldungsinterview: Er hat noch ein Drittes gesagt: Es könne nicht angehen, dass man weiterhin Jahr für Jahr 1000, 2000, 3000 oder noch mehr neue Beamte einstellt. Wir müssen nachdenken, was der Staat eigentlich zu tun hat und was er nicht zu tun hat. Klartext: Söder will den Staat personell schrumpfen. Das hat übrigens am vergangenen Freitag auch sein Chef dem Straubinger Tagblatt verkündet. Da freut sich der Stammtisch.
Ich wäre aber gespannt, wie die konkreten Schrumpfungspläne bei den Staatsbediensteten aussehen werden:
Brauchen wir weniger Polizisten?
Brauchen wir weniger Lehrkräfte?
Brauchen wir noch weniger Steuerfachleute, wo ohnehin schon heute in Bayern die allermeisten Erklärungen durchgewunken werden und viele Betriebe niemals eine Steuerprüfung erleben?
Ganz pfiffig war dann noch die Aussage des (CSU-) Finanzministers, dass man die Pensionsfonds für die Beamten nicht mehr weiter anfüllen wolle, weil da nur wenig Zinsen zu bekommen sind. Gescheiter wäre es, Schulden zu tilgen, weil man hier höhere Zinsen einsparen kann. Das ist nicht dumm. Problematisch ist halt bloß, dass sich womöglich in 20 oder 30 Jahren weder Herr Söder noch Herr Seehofer an der Regierung befinden werden. Vielleicht haben wir dann eine Regierung, die mit noch größeren Haushaltsproblemen zu kämpfen hat als es die heutige muss. Vielleicht hat man dann keine Möglichkeiten mehr, die ehemaligen Staatsdiener zu alimentieren. Einen gut gepflegten Pensionsfonds auf der Basis seriöser Sachwerte gäbe es vielleicht noch. Auch keine Garantie - aber die Vorsorge für tatsächlich bestehende Verpflichtungen gehört schlicht zu den Grundsätzen seriöser Staatsfinanzierung. Auch wenn das viele Leute nicht hören wollen: Beamte sind für den Staat finanziell so lange günstiger als Angestellte, als sie aktiv im Dienst sind. Genau besehen verzichten Beamte während der aktiven Zeit auf Geld, weil sie ja der Staat später außer Dienst immer noch alimentieren muss. Es wäre deshalb seriös, ständig Rücklagen zu bilden. Das hat man vor Jahren endlich versucht zu realisieren. Die famosen Seehofer-Söder-Buam entschließen sich jetzt, auf diese Seriosität wieder zu verzichten.
Privatisieren um jeden Preis? –
Die Janusköpfigkeit der Freien Wähler
Aber viel wichtiger ist, dass wir Bürgerinnen und Bürger jetzt jeden CSUler ständig fragen, welche Beamten denn eingespart werden können. Welche Aufgaben muss der Staat künftig nicht mehr erfüllen? Soll der Washington-Konsensus unseligen Angedenkens wieder gelten: Privatisieren und Deregulieren um jeden Preis! Steuern senken und den Staat minimieren! Diese Fragen sollten wir auch Herrn Aiwanger (Freie Wähler Bayern) stellen! Seinem neuen Kompagnon Hans-Olaf- Henkel muss man hingegen diese Frage nicht stellen: Der ist ein erklärter Befürworter eines schwachen Staates, weil er ein Marktradikaler ist und an die unsichtbare Hand glaubt, die in der freien Marktwirtschaft alles regelt. Das kommt mir immer so vor, als plädiere man für die Abschaffung des Schiedsrichterteams bei großen Fußballspielen. Warum sollte da nicht auch die unsichtbare Hand alles zum Wohlgefallen regeln? Aber wir müssen nicht nur nach Reduzierungsmöglichkeiten fragen - wir können auch antworten: Alle Ministerien haben mittlerweile ausufernde Grundsatzabteilungen, die sich genau besehen der politischen Propaganda und dem Entwurf von Strategien zum Machterhalt widmen. Diese seinerzeit von Strauß und Stoiber eingeführten Abteilungen kann man ohne Verluste einsparen. Man braucht genau besehen auch keine Staatssekretäre, über die seinerzeit schon Franz-Josef-Strauß gespöttelt hat: „Es muss nicht bei jeder Eröffnung einer Fischdose in Bayern ein Kabinettsmitglied dabei sein.“ Wo er recht hatte, da hatte er recht.
Über das Leben nach der käuflichen Politik
Wann beginnt das Leben?
Sie kennen wahrscheinlich den alten Witz von der älteren Dame, die im Cafe die hitzige Debatte am Nebentisch von ernsthaften Studenten der Theologie, Biologie und Philosophie über den Beginn des Lebens verfolgt. Während der eine sagt, das Leben beginne mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, und er andere entgegenhält, es gehe erst mit der Nidation los, bezieht der andere gar die radikale Position, wonach das Leben so richtig erst beginne, mit der Entwicklung der Kognition und Sprachfähigkeit. Da mischt sich die alte Dame ein und klärt auf: „Meine lieben jungen Herren: Das Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Mann gestorben ist!“
Für einen Großpolitiker beginnt offensichtlich das Leben, wenn der Staatsjob vorbei ist. Dass sich ein gewisser Herr Stoiber heute nicht nur um den Bürokratieabbau in der EU sondern auch noch um die Beratung des niveaumäßig kaum zu unterbietenden Fernsehkonzerns Sat1/Pro 7 kümmert, ist ärgerlich und eines ehemaligen Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern unwürdig. Dass sich aber ein ehemaliger Bundeskanzler (Gerhardt Schröder) als bezahlter Umweltbeauftragter eines russischen Ölkonzerns nicht um die von seiner Firma verursachten großräumigen Verseuchung eines ganzen Landes kümmert (es war kürzlich in einer erschütternden Doku in der ARD zu sehen) ist weit schlimmer. Dass sich ein ehemaliger Grüner Spitzenmann wie (Joschka) Fischer heute um das Greenwashing von Autokonzernen bemüht und ein anderer Grüner, der ehemalige für gesunde Ernährung zuständige Staatssekretär der Frau Künast im Verbraucherschutzministerium heute als Manager von Schokoriegel-Mars betätigt, passt dazu. Wir wurden regiert von Schwarzen, Roten, Grünen und Gelben. Kaum waren sie raus aus der Politik, haben sie uns gezeigt, wo sie sich am wohlsten fühlen: Bei denen, die ihnen seit jeher für ihre Parteien das Geld gaben. Es sind die gleichen, die ihnen heute im privaten Ruhestand als Geldgeber zur Verfügung stehen. Das alles kann bei einem Demokraten schon bestimmte Bewegungen in der Magengegend verursachen…auch ohne Schokoriegel, Ölgestank, Abgasgift und ohne Sat1/Pro7-Schmuddel-Programm.
Der ehemalige Finanzminister unseres schönen Freistaates ist ohne Scham-Pause direkt in die Vorstandsetage der Sparkassen gewechselt. Vorher hat er noch dafür gesorgt, dass das Landesbankdebakel ohne Schaden für seinen künftigen Arbeitgeber ablaufen konnte. Transparency International will so ein Verfahren nicht dulden. Die Hans-Böckler-Stiftung prangert so etwas als korruptionsverdächtig an. Die allermeisten nachdenklichen Bürger schütteln den Kopf. Wir haben – wie gesagt - draus eine Petition an den Landtag gemacht.
Minister sollen mindestens 5 Jahre warten, bis sie sich als ehemalige Politiker in den Dienst einer privaten Firma stellen. Das sei ein Berufsverbot und deshalb verfassungswidrig wurde mir im Landtag gesagt. Dazu braucht es keinen weiteren Kommentar.
Die Grenzen des Wachstums
Kommen wir endlich zum Wichtigsten.
Zum Wachstum an sich. Vor genau 40 Jahren wurde die berühmte Studie des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums veröffentlicht. Mir fällt auf, dass der Begriff des „Wachstums“ als Ziel an sich wieder fröhliche Urstände feiert: Die FDP verspricht sich davon sogar ein sog. „Alleinstelllungsmerkmal“ in der Parteienlandschaft. Rösler und Co behaupten, dass sich die ganze politische Szene in einer gefährlich einseitigen, wachstumskritischen Haltung ergehe. Da müsse man endlich dagegen halten und ohne alles Wenn und Aber zum „Wachstum an sich“ und ohne Wenn und Aber stehen. Das ist tiefenpsychologisch hoch interessant: Die FDP als „Partei des Wachstums“! Da spielt sich bei dieser Partei ein faktischer Schrumpfungsprozess ab… was liegt da näher, als vom Wachstum zu phantasieren… Aber dennoch: Franz-Josef Strauß hätte seine Freude an dieser FDP. „Ohne Wachstum ist alles nichts. Ohne Wachstum wird uns auch die Demokratie verloren gehen.“ So hat er seinerzeit getönt und jeden Wachstumskritiker vorsichtshalber gleich einmal ins Kommunisteneck gestellt. Müsste der Wachstumsfreund FJS heute in die FDP eintreten? Ach wo. Die FDP irrt sich - wie gewöhnlich! Da ist weit und breit kein Alleinstellungsmerkmal zu sehen. Da bildet sich keine wachstumskritische Szene im Bundestag. Man unterhält zwar eine sehr löbliche Enquete- Kommission zur Begrübelung der Problematik des Bruttoinlandsprodukts als Messgröße für den Wohl-Stand. Man leistet sich dieses Forum, in dem alle möglichen Leute vortragen dürfen – kürzlich sogar Dennis Meadows.
Er hat den Bundestagsabgeordneten vorgehalten, dass keines der von ihm seinerzeit vor 40 Jahren geschilderten Probleme gelöst sei – dass sich vielmehr die Erschöpfungsprozesse des Planeten beschleunigen würden und in den nächsten 20 Jahren Veränderungen anstünden, auf die niemand vorbereitet sei. Wenn Meadows wenigstens ein Deutscher wäre – dann könnte man ihm die berühmte „german angst“ und den angeblich bei uns heimischen Pessimismus vorwerfen. Nun ist der Mann aber leider Amerikaner und deshalb nach gängigem Stereotyp auf Optimismus genetisch und sozialpsychologisch programmiert! Der kann nicht normal sein…
Normal ist das, was alltäglich auf den Pressekonferenzen und in den Gesetzgebungsorganen, in Arbeitskreisen und Lobbyistenzirkeln verkündet und verhandelt wird.
Normal ist, was Frau Merkel vorträgt.
Normal ist, was Seehofer und Ude trällern.
Normal ist, was die Stones von der SPD – Steinmeier und Steinbrück – rocken.
Normal ist, was mittlerweile auch viele Grüne in leicht abgewandelter Tonart trällern.
Normal ist, was der alte radikal-wirtschaftsliberale, jüngst für „Aiwangers lustige (Freie Wähler) Kasperlbühne“ angeheuerte, Hans-Olaf Henkel dem Publikum eintrichtert:
Mehr, mehr, mehr!
Es erscheinen zwar kluge und aufrüttelnde Bücher zum Thema Kritik des absurden Wachstumsdenkens. Mehr Studien als je zuvor – das ist selber ein Wachstumsprozess. Aber die Botschaft dringt nicht durch. Wer am abgenutzten Wort „Nachhaltigkeit“ auch nur ein wenig kratzt, merkt schnell, dass hinter der Nachhaltigkeits-Floskel in aller Regel kein wirklicher Neuordnungswille zu finden ist. Nachhaltigkeitsreden als Fassadenschmuck sind nur ärgerlich.
Die Verkehrsprognose für Bayern
Ich kann beweisen, dass die reale Politik von Wachstumskritik abolut nicht angerührt ist, kein bisschen, nullkommanull: Diese Schwarte ist die Grundlage dessen, was wir wohl noch in diesem Sommer oder spätestens im Herbst von der Staatsregierung präsentiert bekommen werden: Das ist die offizielle Verkehrsprognose für den Freistaat Bayern bis zum Jahre 2025, aufgrund derer der „Gesamtverkehrsplan Bayern“ für die nächsten Jahrzehnte aufgestellt werden wird. Was steht drin? Da braucht es nicht viel Fantasie oder gar Hellsehergabe. Die Antwort lautet: Alles wird wachsen.
Annahme für das BIP des Freistaates: Jährlich plus 2,2 %
Anstieg der Erwerbsquote (vor allem durch mehr Frauen und mehr über 60jährige in Erwerbsarbeit): plus 9 %
Anstieg des PKW-Bestandes: plus 12% - vor allem durch Zweit- und Drittmotorisierung.
Zunahme Personenverkehr von 15.4 Mrd. Fahrten (2007) auf 16.7 Mrd. Fahrten (2025) das sind plus 8,5 % insgesamt und beim motorisierten Verkehr stolze 12,2%
Die Verkehrsleistung nimmt dabei noch stärker zu als die Anzahl der Fahrten, weil der Fernverkehr überproportional zunehmen wird und generell die zurückgelegten Strecken länger sein werden: Von 240 Mrd. Pkm in 2007 auf 292 Mrd. Pkm in 2025.
Woran deutsche Autoingenieure Arbeiten:
In welchen Fahrzeugen das ganze stattfinden kann möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Die dpa meldet am 15.10.2011:
„Audi bringt im Frühsommer 2012 eine neue Generation des S8 auf den Markt. Das Topmodell der sportlichen S-Familie fährt künftig mit einem V8 Motor statt mit zehn Zylindern. Der 4.0 TFSI entwickelt dank Doppelturbo 520 PS und beschleunigt die Luxuslimousine in 4,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, teilt der Hersteller mit. In Fahrsituationen, in denen nur wenig Motorleistung abgerufen wird, schalten sich 4 der 8 Zylinder automatisch ab. Im Vergleich zum V10-Vorgänger sinkt der Verbrauch laut Audi um rund drei auf 10,2 Liter. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 242 Gramm pro Kilometer. Der neue S8 kostet ab 111 900 Euro.“
Daran arbeiten also Deutschlands beste Ingenieure der Automobilindustrie im Jahre 2011 – an einem 520 PS-Geschoß mit einem Ausstoß von 242 Gramm CO2 pro Km. Welche Verschwendung von Grips und Sinn!
Zurück zu der Verkehrsprognose 2025 - wörtliches Zitat: „Die Hauptgründe für die Zunahme der Mobilität liegen auch künftig im Wirtschaftswachstum.“ Da schau her, wer hätte das gedacht.
Übrigens: Falls die angeplanten großen Bahnprojekte – vom Brennerbasistunnel bis zur Neubaustrecke Ulm–Stuttgart und ein halbes Dutzend weiterer Schnellfahrtstrecken – wirklich realisiert werden, dann prognostiziert die Studie dem Bahnverkehr noch höhere Steigerungsraten wie dem Straßenverkehr. Soweit die Prognose für den Personenverkehr.
Jetzt halten sie sich fest: Jetzt kommen die Zahlen für den Güterverkehr:
Von 2007 bis zum Jahre 2025 wird sich die Transportleistung im Güterverkehr in Bayern um 53,2 % vergrößern und zwar von 146,2 Milliarden Tkm auf 224,0 Mrd. Tkm.
Auf der Straße: plus 55,7%
Auf der Schiene: plus 49,2%
Und das Schiff? Nimmt auch zu. Die hier einzig wichtige Achse „Main-MainDonauKanal-Donau“ leistet derzeit ganze 2,4% der Verkehrsleistung. Hier wird ein Wachstum von 20% bis 2025 prognostiziert – erstaunlicherweise bei Annahme, dass die Variante A beim Donauausbau verwirklicht wird!
Insgesamt also sollen wir uns einstellen auf ein jährliches Verkehrswachstum von plus 2,45 % pro Jahr beim Güterverkehr und 1,1 % mehr pro Jahr beim Personentransport. Das bedeutet, dass es insgesamt wohl ziemlich eng werden wird auf den Straßen in Bayern… wenn nicht gebaut wird! Und Sie können sich drauf verlassen: Es wird gebaut werden. Auch wenn Herr Ude (SPD) in die Staatskanzlei einzieht und Herr Aiwanger (Freie Wähler) Verkehrsminister werden wird. Die beiden freuen sich jetzt schon auf die Kameras, wenn sie mit goldenen Scheren weißblaue Bänder zerschneiden dürfen. Das ist mindestens so schön, wie mit zwei Schlägen einen Bier- Banzen zu eröffnen oder eine Schampusflasche anzuzapfen.
Zurück zu den interessanten Ergebnissen dieser Studie: Flugverkehr. Steigerungsrate bis 2025 in Bayern?
Originalzitat aus der Studie: „Im Luftverkehr findet das mit Abstand stärkste Wachstum statt (plus 92,1 % beim Verkehrsaufkommen/plus 93,4% bei der Verkehrsleistung.) Er profitiert neben dem anhaltenden Trend zu Fernreisen im Urlaubsverkehr und der international zunehmenden Verflechtung der Wirtschaft vor allem auch vom Wachstum des sonstigen Privatverkehrs…“
Hurra! Es geht voran!
Eine Verkehrsart wird allerdings nicht nur kein Wachstum haben sondern sogar abnehmen:
Die Bewegung zu Fuß – minus 2%!
Der Fahrradverkehr wird hingegen als Freizeitsport zunehmen, zum Zweck des Semmelkaufs oder des Aufsuchens einer Schule oder Arbeitsstätte wird aber auch dieser abnehmen…
Was ist die Folge solcher Studien?
Da gäbe es mehrere:
Ja wenn es so ist, dann muss man halt auch noch den Rest des Freistaates asphaltieren.
Oder aber man überlegt sich: Was können wir tun, dass diese Prognose nicht eintritt?
Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß
Wenn mir der Arzt sagt, dass ich bei Fortsetzung meines derzeitigen Lebensstils ein hohes Diabetesrisiko eingehe und mit Amputationen der Extremitäten rechnen muss, kann ich mich ja schon mal auf die Schnäppchenjagd im Prothesen und Rollstuhlbereich machen. Ich könnte aber auch meinen Lebensstil ändern… Und jetzt sind wir am Knackpunkt: Wer in der Politik von einer Änderung des Lebensstils spricht, ist schon unten durch. Das sagen alle soziologischen Studien. Die meisten Leute wollen, dass sich alles ändert, aber nicht bei ihnen selbst. Und nicht durch Gesetze oder Steuern. Und nicht durch staatliches Handeln. Wer für Tierschutz ist, soll sich einen Hamster artgerecht halten. Hab ich doch nichts dagegen. Wer für Klimaschutz ist, soll halt zu Hause bleiben. Aber auf keinen Fall eine Kerosinsteuer einführen, die alle trifft. Kein Tempolimit. Die Polizei sollte endlich die Langsamfahrer, die mit 120 die linke Spur blockieren aus dem Verkehr ziehen, forderte kürzlich ein Anrufer im Tagesgespräch des Rundfunksenders B2. Anschließend erklärte er sein Lieblingstempo 230 für normal auf deutschen Autobahnen…
Alles in allem hat mir diese Verkehrs-Prognose bewiesen: Das ganze Umweltgerede der großen Parteien ist bloß Show. Auch die Grünen – das haben sie sicherlich gelesen – haben jetzt ihren Frieden gemacht mit dem Ausbau des deutschen Autobahnnetzes. Es war zu erwarten. Diese Gesellschaft lügt sich kollektiv die Welt schön. Nochmals zurück zu dieser Prognose. Jetzt kommt das absolute Zuckerl. Man hat auch die Entwicklung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen prognostiziert. Na, wie wird sich das wohl auswirken?
Richtig. Großartig. Es wird nämlich keine Erhöhung der verkehrsbedingten C02-Emissionen im Freistaat geben. Alles wird bleiben wie es ist. Kein Wachstum beim CO2-Ausstoß. Abgesehen davon, dass ich mich frage, woher die Energie alleine für das Wachstum des Gütertransorts auf Schiene und Straße um rund 50% herkommen soll, wie man die Energie für die Verdoppelung des Flugverkehrs gewinnen will möchte ich doch an so manche feierliche Verkündigung der deutschen Politiker auf Klimakonferenzen und in Sonntagsreden erinnern:
Wollten wir nicht den Ausstoß von Klimagasen reduzieren?
Sollten die Emissionen nicht sinken?
Haben wir nicht Klimaziele vereinbart?
Wissen wir nicht zuverlässig, dass es nicht so bleiben darf, wie es ist, dass vielmehr in den nächsten 10 Jahren drastisch die Emissionen gesenkt werden müssen?
Aber wenn der Verkehr so zunimmt, dann kann man doch nicht jammern… Da ist doch die Stagnation der Emissionen schon ein Erfolg!
ÖDP ist kein Erfüllungsgehilfe für Prognosen
Liebe Leute!
So darf es nicht kommen!
Wer sich um die Zukunft seiner Kinder und Enkel sorgt, der muss in die konstruktive Opposition zu diesem desaströsen Prognose-Erfüllungsgehilfen gehen. Diese Verkehrsprognose darf nicht Wirklichkeit werden. Auch andere Prognosen dürfen nicht Wirklichkeit werden. Prognosen über die Rohstoffausbeutung. Prognosen über die Landwirtschaftsentwicklung hin zu Mega-Super- Riesen-Farmen. Prognosen über die Verteilung von Wasser und Boden. Prognosen zum weltweiten Energieumsatz. Prognosen zum allmählichen Verschwinden der Kinder!
Politik muss manche sich abzeichnende Entwicklungen rechtzeitig erkennen und manche desaströse Trends auch aufhalten. Politik muss bewerten. Sie muss steuern, nicht bloß treiben lassen.
Wir haben die Debatte um das Dürerbild hinter uns: Man hat die möglichen Folgen für dieses Welterbe erörtert und endlich sich geeinigt: Kein Risiko eingehen. Das Bild bleibt in München. So weit so gut. Das Klima dieses Planeten ist mindestens so wertvoll wie das 500 Jahre alte Selbstportrait des gigantischsten Franken aller Zeiten! Ich bin dafür, mit dem Klima mindestens so sorgfältig umzugehen wie mit diesem Kunstwerk!
Wenn sich bis 2025 der Ausstoß klimaschädlicher Gase nicht ändert, dann treten die schlimmsten Erwartungen der Klimaforscher ein. Dann bekommen wir eine Welt, mit Wanderungskriegen. Dann geht es drunter und drüber. Wer will diese Welt für seine Enkelkinder? Wer eine andere, eine immer noch lebenswerte Welt will, der muss heute was tun. Der muss kündigen – nicht nur beim Söder-Seehofer-Haderthauer-(
Die Wahrheit ist anders.
Das Leben wird lebenswert sein – aber es wird weniger materialistisch ausgerichtet sein. Man kann es nicht besser sagen als es Gandhi gesagt hat:
„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier!“
Echter Wohlstand statt Zeitnot
Ich hatte vor wenigen Tagen die Gelegenheit, den Vordenker der christlichen Sozialwissenschaften in Deutschland, den Jesuitenpater Prof. Hengsbach zu hören. Er plädierte dafür, die frei verfügbare Zeit, also jene Stunden und Tage, die nicht von Erwerbsarbeit und materieller Existenzssicherung beansprucht sind, als wesentlichen Wohlstandsfaktor zu definieren. Wer für die Existenzsicherung einen Vollzeit- und zwei zusätzliche Minijobs braucht, der hat seine Freiheit und Menschenwürde schon ein Stück weit verloren. Von Wohlstand kann da keine Rede sein. Aber auch ein wenig weiter oben in der Gesellschaft, in ihrer breiten Mitte, bei den ganz normalen fleißigen Leuten, dort wo für den Erhalt der Familie zwei Vollzeitberufe benötigt werden – auch dort fehlt diese Voraussetzung von Autonomie und freier Lebensgestaltung und es herrscht jeden Tag Zeit-Not!
Und noch ein paar Stufen weiter oben, wo im Bereich der Führungskräfte Teilzeit nicht mehr geduldet wird und eine Leistungs-Bereitschaft rund um die Uhr, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr erwartet wird, ist das Wohlstandskriterium „Zeit“ auch passe. Übrigens: Der Lehrer von Prof. Hengsbach, der unvergessene Pater v. Nell-Breuning, der viel bemühte Nestor der katholischen Soziallehre und maßgebliche Berater von Päpsten, Kanzlern und Gewerkschaften hat schon in den 70er Jahren verlangt, die Arbeitszeiten angesichts explodierender Produktivität drastisch zu senken. Er war seinerzeit den Gewerkschaften Kleinmut vor, als diese die 35-Stunden-Woche vorschlugen. Der Jesuit Nell-Breuning forderte provokativ die 10- Stunden-Woche in der Wirtschaft als Ziel, um den Menschen mehr Autonomie für ihre Lebensführung zu verschaffen. Dem schließe ich mich nicht an. Aber die Zielmarke des Post- Wachstums-Ökonomen Niko Paech, nämlich das Ziel einer 20-Stunden-Arbeitswoche bei reduziertem Geldeinkommen, die klingt mir schon realistischer und vor allem sowohl verlockend als auch sinnvoll: Wenn ich die Werte „Menschenwürde“, „Lebensqualität“, „Selbstbestimmung“, „kreative Gestaltung der eigenen Verhältnisse“ und „Erhalt der Lebensgrundlagen auf Dauer für alle noch kommenden Generationen“ ernst nehme, dann muss ich Abschied nehmen vom rücksichtslosen Verbrauch der Ressourcen, von raschem Verschleiß, von gezielt kurzen Lebenszeiten vieler Produkte, von Massentierhaltung, von unmenschlicher Kinderarbeit z.B. auf den Kakaoplantagen zwecks billiger Schokolade in Massen, von ebenso unmenschlichen Bedingungen in den Textil und High-Tech-Fabriken Asiens. Der Abschied von diesem zynischen System - Elend der einen um den Luxus anderer zu ermöglichen – ist überfällig!
Ich halte das für die ernste Wahrheit: Die höchsten humanen und ökologischen Werte sind nicht zu sichern, in einer Ökonomie, die von der Ideologie des „Immer-mehr“ getrieben ist. Deshalb sind wir für eine Post-Wachstums-Wirtschaft und eine Post-Wachstums-Gesellschaft. Damit stehen wir zwar an der Seite vieler Buchautoren, Sozialwissenschaftler und nachdenklicher Menschen. Aber in der Polit-Szene stehen wir ziemlich alleine da, seit die allermeisten Grünen ihren Frieden mit der Wachstumsideologie gemacht haben und sich nur noch kosmetische Korrekturen am herrschenden Modell vorstellen wollen.
Das wird am deutlichsten in der Energiefrage.
Die Lösungskonzepte, die auf eine absolute Senkung des Verbrauchs abzielen, werden am allerwenigsten gepuscht!
Wenn wirklich absolut weniger Energie verbraucht würde, wäre das schlecht fürs Wachstum!
So einfach ist das.
- Ein Tempolimit auf Autobahnen und Landstraßen wäre eine Wachstumsbremse. Deshalb gibt es diese sofort wirksame Maßnahme nicht.
- Übrigens wäre auch die Abkehr vom Hochgeschwindigkeitswahn bei der Bahn eine sofort spürbare Energieeinsparung aber eben auch eine Wachstumsbremse…
- Auch ein konsequent durchgesetztes Nachtflugverbot an den Airports ist in der Systemlogik eine Wachstumsbremse und deshalb Blödsinn. Nachtflug ist für das Wachstum der Luftfrachtbranche wichtig. Der damit verbundene Lärm ist als Krankmacher gut fürs Wachstum der Gesundheits- bzw. Krankheitsbranche. Außerdem lassen sich Schallschutzmaßnahmen an den Häusern verkaufen. Sie sehen: Nachtflug ist prima und sollte deshalb gefördert, nicht verhindert werden.
- Eine Schwerpunktsetzung bei der Gebäudesanierung (angeblich werden pro Jahr nur 1% der vor 2000 gebauten Häuser energetisch saniert… bis alle so weit sind, ist das Jahrhundert rum) und eine massive Förderung der Solarthermie würde zur absoluten Reduzierung des Energieverbrauchs führen. Wachstumsbremse! Unerwünscht!
-Ganz allgemein: Unsere Steuerreform für Arbeit und Umwelt mit ihrer Lenkungswirkung hin zu mehr Sorgfalt beim Energieverbrauch und mehr Chancen für sinnvolle Arbeit oder auch das Basler Öko-Bonus-Modell wäre eine Energieeinsparungsaktion und damit eine Wachstumsbremse für die Energiewirtschaft.
- Ganz besonders wachstumsfeindlich aber wäre der binnenwirtschaftlich und weltweit durchgesetzte „faire Handel“. Wer für notwendige Nahrungsmittel, für unverzichtbare Materialien, Produkte und Dienstleistungen faire Preise und Löhne bezahlt, wird sich insgesamt weniger Masse leisten können. Wäre das schlimm? Leiden wir nicht oft genug unter den Bergen von künftigem Müll, der sich in unseren Wohnzimmern, Küchen und Kinderzimmern auftürmt?
- Noch wachstumsfeindlicher wäre eine konsequente Menschenrechtspolitik. Ich bin nicht so vermauert dass ich nicht wüsste, dass Handel auch Wandel bringen kann. Aber ganz ohne Mut zur Klarheit kommt der Wandel nicht! Allenfalls wandeln sich schön still und leise die Verhältnisse auch bei uns: Seht wie schnell die Chinesen entscheiden können! Ganze Stadtviertel werden abgebrochen, um eine neue Wirtschafts-Sonderzone hochziehen zu können! Solche bewundernden Untertöne hört man immer öfter. Wandel durch Handel habe ich mir immer anders vorgestellt: Idee und Praxis der Menschenrechte und der öko-sozialen Marktwirtschaft sollten sich ausbreiten. Wenn aber die Staaten Europas wegen ihrer desaströsen Schuldenpolitik mehr und mehr als hilfsbedürftige Kreditbettler auftreten und in China um milde Gaben nachsuchen müssen, ist es mit der Attraktivität unseres Modells bald vorbei. Vor allem deshalb müssen wir schnell wieder stabil werden: Die Achtung der Menschenrechte und hoher ökosozialer Standards muss mit wirtschaftlicher und fiskalischer Seriosität einhergehen, sonst wird unser Modell in Asien und Amerika als Looser-Konzept erscheinen!
- Übrigens kann man auch konsequente Friedenspolitik als Wachstumsbremse sehen: Deutschland ist Waffenexporteuer Nr. 3 auf dem Weltmarkt. Was, nur die Nummer drei? Werden da manche Wachstumsfanatiker fragen… Andere sehen diese Platz mit Grausen und würden am liebsten morgen damit aufhören. Aber das wäre natürlich eine erhebliche Wachstumsbremse!
- Das Verbot der Massentierhaltung wäre auch so eine Wachstumsbremse, weil die Fleischpreise steigen müssten und so eine Verbrauchsreduzierung einträte. Auch die Umsätze bei Tierarzneimitteln dürften absinken. Schauerliche zahlen gibt es da zu vermelden: nach Auskunft der Bundesregierung wurden in Deutschland im Jahre 2005 sage und schreibe 784,4 Tonnen Antibiotika an Nutztiere verfüttert. Anschließend meldet die Bundesregierung Wachstumsraten von 7.0% im Jahre 2006, 9.2% im Jahre 2007, nur noch 1% im Jahre 2008, sogar ein Minus von 2,5% im Jahre 2009 aber schon 2010 geht es wieder um 2% aufwärts… man kann also sagen, dass wir heute wohl rund 900 Tonnen Antibiotika an Tiere geben. Würde die Massentierhaltung verboten, gäbe es nicht mehr die Notwendigkeit beim Auftreten einiger weniger kranker Tiere den ganzen Bestand (bei Geflügel schon mal 50 000 Stück) mit Antibiotika zu versorgen - welch eine Wachstumsbremse!
- Ganz genau durchgerechnet hat die Europäische Bankenlobby die wachstumsdämpfende Wirkung einer Finanztransaktionssteuer: 1,76 % weniger BIP in Europa würde diese Steuer bringen. Mit dieser Zahl wird es den Top-Lobbyisten wohl gelingen, die Steuer zu verhindern oder aus ihr eine Oma-Steuer zu machen, wie man sie jetzt in Frankreich plant. Eine Oma- Börsenumsatz-Steuer ließe den Hochfrequenzhandel der Profis ungeschoren und würde nur den Kleinhandel belasten, den sich manche Leute leisten – 100 Telekomaktion wegen der schönen Dividende, 50 Solarworld-Aktion wegen des Kicks einer Kurssteigerungserwartung. Wie gesagt – im Börsenjargon ist das der „old-ladies“-Markt. Um den geht es aber nicht. Am Hochfrequenzhandel im Hundertstelsekundentakt wird das große Rad gedreht! Das 70fache des Finanzbedarfs der Realwirtschaft wird hier gehandelt! Hier entscheiden sich die Boni! Seit die EU-Kommission pfiffige Wege gefunden hat, das Ausweichen der Steuerpflichtigen auf andere Finanzplätze auszuschalten, arbeitet die Anti-Transaktionssteuer-Lobby der Großbanken und Hedge-Fonds mi der Wachstumskeule: Behauptete 1,76 % weniger Wachstum – da zuckt der Politiker zusammen und kuscht!
- Übrigens wäre auch eine strikte Regulierung des Bankengeschäfts eine Wachstumsbremse. Solche Vorschläge gibt es immer wieder und sie wären sinnvoll: Von der Erhöhung der Eigenkapitalhinterlegung bei Kreditvergaben bis hin zum Verbot von unethisch-absurden Finanzprodukten wie einer Wette auf das frühzeitige Ableben von Lebensversicherungskunden oder auf steigende Nahrungsmittelpreise – alles das würde unsere Finanzwelt übersichtlicher machen, sicherer machen, entschleunigen – aber eben auch den Zuwachs bremsen. Und das will die Mehrheit der Entscheider nicht.
Der Massenkonsum und die Wachstumsorientierung ist eine Form von Sucht. Das sagen alle jene Sozialwissenschaftler, die sich in den letzten Jahren gründlich mit unserer Wachstumsideologie auseinandergesetzt haben – von Tim Jackson, über Harald Welzer, bis hin zu Meinhard Miegel und vielen anderen. Viele haben vor kurzem den Kopf geschüttelt, als die Linkspartei, die Piraten und die jungen Grünen in schöner Einmütigkeit ein „Recht auf Rausch“ und in Folge die Legalisierung aller Drogen forderten. Ja sind die jetzt ganz verrückt, haben sich wohl viele gedacht. Ich teile diese Meinung. Aber ich denke beim Kopfschütteln nicht nur an Piraten, Linke und Grüne: Ich denke auch an CSU, FDP und SPD. Nicht nur angesichts der kultischen Zuwendung dieser Parteien heute am Aschermittwoch, schon bald wieder auf dem Nockherberg und bei den vielen regionalen Starkbierfesten, und dann im Herbst beim Oktoberfest mit dem hohepriesterlichen Akt des Anzapfens durch den Sonnenkönig persönlich. Nein, das alles ist nicht das Hauptproblem. Sie gieren alle nach der Wachstumsdroge! Wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) reduziert wird, kommen Panik und Tremor! Dem Süchtigen ist in klaren Momenten – in aller Regel auf Tagungen diverser Akademien – durchaus klar, dass die ständige Zuführung des Stoffes dem Organismus nicht gut tut.
Aber dann kommt der Suchtdruck und alle klaren Gedanken aus der Akademietagung schwinden dahin. Dann starren wieder alle auf die BIP-Zahlen und nehmen Akte der Beschaffungskriminalität in Kauf. Ja, das ist ein hartes Wort. Aber ich werfe uns allen kollektiv dieses Delikt vor: Nahezu überall auf diesem Planeten, wo Rohstoffe abgebaut oder angebaut werden, herrschen die folgenden kriminellen Zustände:
- Kriege um den Zugriff auf Rohstofflager
- Vertreibung der angestammten Bevölkerung von ihrem Land,
- Vernichtung der indigenen Kulturen
- Großflächige Ausbringung von Giften aller Art – nicht nur in der Landwirtschaft, vor allem auch in den Minen und bei der Exploration von Erzen und Mineralien
- Reduzierung der Wälder, Zerstörung von Biotopen und Reduzierung der Artenvielfalt
- Vergiftung und Störung der Wasserquellen
Seit einiger Zeit wird die Wahrnehmung dieser Verbrechen gerne auf das Problem „Teller oder Tank“ reduziert. Ich möchte dieses Problem nicht klein reden. Aber ich wundere mich, dass die Focussierung auf dieses Teilproblem erfolgt: Wir haben schon viel länger und viel intensiver die Zerstörungen aufgrund des Futtermittelbedarfs für die Fleisch-Sucht der Industrieländer. Wir haben die Zerstörungen aufgrund der Papiersucht der Industrieländer. Wir haben die Zerstörungen fast in allen Gebieten der Erdölexploration im Ozean, im Nigerdelta, in Sibirien, in Lateinamerika. Ja, die Zerstörungen aufgrund der Energiesucht greifen jetzt noch weiter aus, um einen Teil der fossilen Träger durch biogene zu ersetzen. Ich streite das nicht ab. Aber die Lösung ist nicht die Fortsetzung der fossilen Versorgung. Die Lösung ist schwierig: Sie heißt Post-Wachstumsökonomie und stellt eine Form der Suchtbekämpfung dar. Suchtbekämpfung ist ein extrem hartes Stück Arbeit. Aber am erfolgreichen Ende steht die Freiheit!
Gerechtigkeit für die Familien
Ein paar junge Herren von der CDU haben jetzt einen Vorschlag gemacht, der sie in die Schlagzeilen brachte aber ihrem Anliegen wenig genutzt hat: Sie sorgen sich angeblich um die Sozialsysteme angesichts der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft. Zur Lösung wollen sie nicht nur kinderlose Zeitgenossen sondern sogar Eltern von nur einem Kind dazu verpflichten, in einen Kapitalstock Sondersteuern einzubringen. Dankbar für diese Vorlage stürzt sich der Medienmainstream auf diesen Vorschlag. Auch unser geliebter Ministerpräsident wirft sich an die Brust der Single-Gesellschaft und lehnt den Vorschlag ab. Ich möchte hier als alter Familienfan erklären: Ja, der Vorschlag ist dumm. Wer die Sozialsysteme den Kapitalmärkten anvertraut ist sowieso ein bisschen plemplem, weil man angesichts der Lage an den Finanzmärkten besser keinen Kapitalstock bilden sollte, um sich später von ihm zu ernähren. Das kann schief gehen… Aber auch der Ansatz bei den Kinderlosen ist nicht sinnvoll. Wir brauchen eine Anerkennungskultur für diejenigen, die Kinder haben, nicht eine Bestrafungs-Unkultur für alle anderen.
Wieviel besser als die Kapitalstock-Idee der jungen CDUler ist z.B. das Rentenmodell der katholischen Sozialverbände mit einer steuerfinanzierten Sockelrente für alle. Steuern kann man von unterschiedlichen Subjekten einziehen. Man kann den Kapitalertrag besteuern, man kann die Energieverschwendung besteuern, man kann natürlich auch das Einkommen und die Löhne besteuern. Es wäre schon mal ein großer Fortschritt, wenn wenigstens die existenzsichernde Sockelrente für alle nicht mehr nach dem Bismarckschen Uraltsystem der Lohnverteuerung durch Sozialabgaben finanziert würde! Auf der Sockelrente aufbauend, wollen die Sozialverbände dann als zweite Stufe eine leistungsbezogene Rente herkömmlicher Art haben. O.K. Warum nicht. Endlich käme oben drauf noch die private oder betrieblich organisierte Zusatzversorgung. Was hat das mit der Familiengerechtigkeit zu tun? Sehr viel. Weil nämlich dann all die vielen Frauen und die wenigen Männer, die wegen der Kinder eine so genannte „gebrochene“ Berufsbiographie haben weil sie nicht immer voll erwerbstätig waren, sondern sich um Familie gekümmert haben, auch eine anständige Rente hätten. Steuerfinanziert, von allen, eben auch von den kinderlosen unter uns. Wenn sich das mit unserem ausgearbeiteten Konzept eines Familiengehalts kombinieren ließe, wäre die Sache ganz prima, weil das Familiengehalt ja sozialversicherungspflichtig wäre und deshalb Mütter und Väter auch eine Rente aus ihrem familiären Arbeitseinkommen hätten. Nochmals: Das ist kein „Frauen-zurück-ins-Haus- Programm“. Wir wollen ganz im Gegenteil die volle Freiheit der Wahl des Lebensstils für Frauen und Männer. Diese Wahlfreiheit gibt es trotz aller Beteuerungen derzeit nicht, weil sich die allermeisten Menschen eine familiäre Betreuung ihrer kleinen Kinder gar nicht leisten können.
Wer in seiner Familie kleine Kinder hat oder pflegebedürftige Angehörige, der wird von uns als verantwortliches Subjekt gesehen und soll das Geld erhalten, das für die Erziehung und Betreuung benötigt wird. Ob diese Arbeit dann im Haus von ihm selbst oder von einem anderen Menschen sozialversicherungspflichtig übernommen wird oder ob die Aufgabe an eine Institution – Krippe, Hort oder Pflegeheim - übertragen wird, das liegt in der Verantwortung der jeweiligen Familien. Diese Einrichtungen wären dann natürlich zu bezahlen – aus dem erhaltenen Familiengehalt. Die heutige Ungerechtigkeit, dass die Allgemeinheit für eine Minderheit ein öffentliches Betreuungssystem bezahlt und die selbstbetreuende Mehrheit der Eltern mehr und mehr als ein bisschen zurückgeblieben hingestellt wird, diese Ungerechtigkeit wollen wir beseitigen.
Gegen unser Konzept wird immer wieder das angeblich durchschlagende Argument der Unfinanzierbarkeit vorgebracht. Ich wundere mich. Jeder, der ein „leistungsloses Grundeinkommen“ für alle fordert, bekommt das wohlwollende Interesse der Talkshow Organisatoren. Nicht nur anthroposophisch eingestellte Drogeriebosse bringen ja bekanntlich diese Sozialutopie immer wieder vor; nein, auch die vielbewunderten Piraten haben sich auf diesen Programmpunkt geeinigt. Beifall von vielen Seiten ist ihnen gewiss. Wer fragt bei Seeräuber-Vorschlägen nach Geld? Seeräuber holen sich Geld und Gold aus den Bäuchen geenterter Schiffe! Das hat doch wohl jeder schon mal im Kino gesehen oder als Kind in einem Buch gelesen… Und unser Finanzierungs-Vorschlag? Der ist ziemlich einfach. Die jährlich 12 Milliarden aus dem Soli sollen nicht mehr in den Bundeshaushalt fließen und sich von dort aus in Asphalt und Beton verwandeln. Man könnte daraus ein „Sondervermögen Betreuung, Bildung und Pflege“ bilden und davon den Einstieg in das Familiengehalt, in eine bessere Grundschule und in menschenwürdige Altenpflege bezahlen. Wir brauchen gute Startbahnen in die Bildungswelt für unsere Kinder und anständige Landebahnen für die letzten Jahre unseres Lebens! Dafür wäre ein Soli gut. Wir wollen die Gesamtsumme der Steuern und Abgaben nicht erhöhen sondern alte Steuern anders verwenden. Das muss in Zukunft streng beachtet werden. Und ein zweiter Grundsatz muss für die Steuern und Abgaben gelten: Tax bads not goods! Der Verbrauch der Erde und ihrer nicht erneuerbaren, knappen Materialen muss besteuert werden. Die erneuerbaren Systeme, zu denen auch die Arbeit des Menschen mit Kopf und Hand gehört, die ist gut und sollte nicht gehindert oder maßlos verteuert werden!
Facebook, Google und die große Freiheit
Jetzt mache ich etwas, was man nicht machen sollte: Ich widerspreche einem großen Trend. Ich habe Probleme mit folgender Erscheinung: Man fordert absolute Transparenz – hinter einer Anonymus-Maske! Man unterstellt allen staatlichen Stellen (sicher nicht ganz zu Unrecht) extremes Interesse an allen möglichen Daten und wehrt sich gegen staatliche Übergriffe und leider auch pauschal gegen den ganzen Staat. Gleichzeitig liefert man weltumspannenden Großkonzernen bereitwillig Tag für Tag nicht nur seine „gefällt mir“-Informationen sondern zusätzlich noch alle nur denkbaren privaten Daten.
Freiwillig.
Bedenkenlos.
Mit Lust.
Warum wohl sind derzeit die Geldjongleure des Planeten bereit, für Facebook-Aktien 100 Milliarden Dollar hinzulegen? Warum wohl baut Facebook derzeit in Schweden einen neue Europa-Daten-Speicher - ein Gebäude, das so groß ist, dass es die Fläche von 12 Fußballfeldern benötigt?
Da wird nach Selbstauskunft der Macher eine neue Weltstruktur aufgebaut. Die Kommunikation der Menschheit wird neu erfunden. Das Private soll verschwinden, indem alles (vor allem sehr viel absolut Unwichtiges!) allen zur Verfügung steht. Automatisch wird im Hintergrund sortiert und gebündelt. Profile werden bereitwillig geliefert und von den Rechnern automatisch ergänzt und optimiert. So kann vor allem Werbung auf den einzelnen Menschen zugeschnitten werden. Es werden extrem kleinteilig differenzierte Zielgruppen gebildet. Möglich wird das alles durch die vielen einzelnen „gefällt mir“-Entscheidungen der Millionen und Milliarden täglichen Nutzer des Internets. Auch wer meint, seine Daten seien ja nur in einer „geschützten Freundesgruppe“ zu sehen und sich insofern für geschützt hält, ist für die Datennutzer der neuen Kommunikationskonzerne verwendbar: Durch umfassende Analyse der „Freunde“, die nicht so knauserig mit Daten umgehen und ihre Aktivitäten gerne allen zeigen, wird auch der vorgeblich sich selbst schützende Freund mehr und mehr zur öffentlichen Person. Als Freund von Freunden mit lockerem Datenumgang geht auch die Privatsphäre des vorsichtigeren Nutzers flöten.
Was regt mich daran auf? Ist es nicht jedermanns freie Entscheidung, drin zu sein oder draußen zu bleiben?
Nein, ist es nicht.
Die Informationsgesellschaft geht in eine neue Runde. Wer nicht mitmacht, ist bald abgemeldet. Z.B. wird die alte Werbung in Wirtschaft und Politik bald nicht mehr funktionieren. Aufrufe zu Aktionen und zur Meinungsbildung werden bald ins Leere laufen, wenn man sie nicht in diesen harmlos und freundlich als „soziale Netzwerke“ titulierten Systemen an die richtigen Leute liefern kann. Wir werden als politische Menschen gezwungen sein, mitzumachen und folgerichtig uns an die neuen Großkonzerne ausliefern müssen. Der Überwachungsstaat von gestern und auf jeden Fall der demokratisch kontrollierte Staat von heute sind vergleichsweise hilflos gewesen, beim Versuch, alles oder doch vieles über uns zu wissen und auszuwerten. Facebook, you-tube und Google werden in dieser Disziplin besser sein. Aber sie wollen ja gar nichts von mir. Kein Geld. Keine bestimmte Gesinnung. Sind sie nicht meine besten Diener, die mir so viele tolle Möglichkeiten geben? Man kann es so sehen. Es kostet wirklich nichts in Euro – aber man bezahlt mit seinen Daten und mit dem Verlust des Privaten. Würde der Staat so etwas planen, es gäbe wohl sehr zu Recht einen Volksaufstand. Da der Verlust des Privaten, die umfasssende Missachtung des Datenschutzes aber nicht von grauen Männern mit Geheimdienstcharakter sondern von jungen Typen ohne Krawatte, die im Nebenberuf Multimilliardäre sind, geplant und organisiert wird, ist das alles irgendwie cool. Aufstände gibt es immer dann, wenn Versuche des Rechtsstaates unternommen werden, die freundlichen Kraken zu zähmen. Leider sind diese Versuche sehr oft jämmerlich schlecht organisiert: Wer ein internationales Abkommen zum Schutz der Urheberrechte als Geheimsache organisiert, der ist schlicht bescheuert. Das muss im Desaster enden. Insofern ist es gut, dass ACTA jetzt gestoppt ist. Dass aber der Staat generell die Pflicht haben soll, das Internet und die Machenschaften einer Handvoll neuer Weltkonzerne einfach als rechtsfreie Räume sich selbst zu überlassen – das sehe ich nicht ein.
Ich meine, dass jetzt endlich ein fruchtbarer Generationenstreit friedlich argumentativ ausgefochten werden sollte: Die alten, zu denen ich ganz ohne Zweifel gehöre, haben im 20.Jahrhundert dramatisch erfahren, dass zu viel Staat genauso gefährlich ist wie zu wenig Staat! Deshalb sind wir noch nicht überzeugt, dass die große Freiheit des Netzes gleichzusetzen ist mit einer fröhlichen Zukunft bürgerlicher Selbstorganisation und endlich verwirklichter Freiheit! Ich bin gespannt auf praktikable Vorschläge aus der vielbemühten „Netzgemeinde“ für ein neues Urheberrecht, weil ich durchaus der Meinung bin, dass nicht nur Herr Zukerman Geld braucht, sondern auch die vielen kreativen Texterinnen, Musikerinnen, Fotografinnen und Entwicklerinnen aller Art. Es mag ja sein, dass es diese neuen Formen gibt und dass sie viel besser sind als alles was bisher in Paragraphen gegossen war. Vor kaum einem Jahr war „copy+paste“ der Aufreger des Jahres. Zur Recht! Deshalb wundere ich mich auch, dass jetzt das allgemeine kostenlose Bedienen am geistigen Eigentum anderer Menschen auf einmal ein Menschenrecht sein soll.
Wir Alten haben auch erfahren, dass die Demokratie nicht nur durch politische totalitäre Systeme gefährdet ist, sondern auch durch die totale Ablenkung und Unterhaltung der Menschen in einer konsumistischen Spaß- und Warenwelt. Wie man hört, faszinieren die angeblichen sozialen Netzwerke vor allem durch das Angebot vielfältiger mehr oder minder intelligenter Spiele. Man muss sie spielen. Man muss sich über sie unterhalten. Man muss sich mitteilen, dass sie gefallen oder nicht gefallen… Könnte da jemand die Entpolitisierung der Öffentlichkeit planen?
Wie gesagt – mit solchen Meinungen und Diskussionsbeiträgen manöveriert man sich schnell ins Abseits. Ich möchte aber doch dazu auffordern, die Freiheit des Internets in seinem Spannungsverhältnis zu den Persönlichkeitsrechten der einzelnen endlich ernsthaft zu debattieren. Ich möchte auch die Diskussion über die Eingrenzung der Macht jener neuen Weltkonzerne noch erleben.
Und ich möchte die Frage stellen dürfen, ob die im Internet so selbstverständlich gepflegte „Kultur der Anonymität“ ein Fortschritt ist, oder ob das freie Wort, mit offenem Visier gesprochen, nicht doch der bessere Weg war, ist und bleiben sollte!
Vielen Dank! Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Fastenzeit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen